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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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wusste, dass die Sommer hier im Norden kurz waren, dass das Getreide auf den Feldern durch den vielen Regen schnell verdarb. Dafür gab es hier den Bergenfisch, Kabeljau von den Lofoten. Dieser wurde in Bergen getrocknet und gehandelt und war in vielen Ländern hoch begehrt, vor allem in den Fastenzeiten, und davon gab es nun mal im christlichen Abendland von Norwegen bis Spanien reichlich. Um den Fisch haltbar zu machen, brauchten die Norweger Salz. Aber auch Wein, Bier und Getreide wurden von den Hansekoggen in großer Menge hierher gebracht. Wie mühsam es für die Seeleute gewesen war, das Getreide vor dem Verfaulen zu bewahren, hatte Simon in Erstaunen versetzt. Immer und immer wieder musste es gewendet werden, denn feuchtes Getreide entwickelte eine große Hitze und konnte zu einem Schwelbrand führen. DasSchaufeln war eine ebenso schwere Knochenarbeit wie das Pumpen.
    Bernhard Steding gesellte sich zu ihm. Er hatte Nikolas’ Worte mitbekommen, das zeigte der verächtliche Blick, mit dem er Simons Vetter bedachte. »Aus dem Leid der Menschen größtmöglichen Profit zu schlagen ist nicht besonders gottgefällig. Auch macht es die Hansen im Ausland unbeliebt«, sagte er.
    »Vor allem macht es die Hansen reich«, entgegnete Nikolas blasiert. »Wie es mich reich machen wird, während Kleinkrämer wie du ihren Stand nie verbessern werden. Aber du bist ja auch nur der uneheliche Sohn einer Frille.«
    Simon hatte dieses Wort noch nie gehört, aber Bernhard Stedings Reaktion bewies ihm, dass es nicht schmeichelhaft war. Der Kaufmann lief rot an, seine Hände zuckten. Simon schämte sich durch Nikolas’ Verhalten. Er wusste, dass Stedings Familie in Bergen lebte und er sich sehr auf das Wiedersehen freute. Schon rechnete er damit, dass eine Schlägerei ausbrechen würde, doch Steding beherrschte sich.
    »Gott wird uns richten, nicht der Mensch«, sagte er.
    Nikolas wirkte beinahe enttäuscht. »Na, dann brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen«, gab er spöttisch zurück.
    Bernhard Steding stützte sich auf die Reling, starrte in die Landschaft, seine Kieferknochen mahlten.
    Simon versuchte, das Gespräch auf etwas Unverfänglicheres zu richten. »Wenn man auf Bergen zufährt, wundert es einen nicht, dass die Stadt so weithin bekannt ist. Ein geschützter Hafen, genau richtig für Fischer und Kaufleute. Dahinter die Berge und vermutlich Flüsse, also Trinkwasser. Eine bessere Lage gibt es wohl kaum.«
    Steding hob den Arm, zeigte auf die Holzhäuser und die Reihe von Piers, zwischen denen sich Anlegeplätze für Schiffe befanden. Während er sprach, wuchs ein kleines Lächeln in seinem Gesicht, das mit jedem Satz breiter wurde.
    »Auf dieser Seite der Vågenbucht leben die Reichen und die Mächtigen der Stadt. Da ist das Viertel Tyskebryggen, die Deutsche Brücke. Es besteht aus etwa dreihundert Häusern, die von Deutschen bewohnt werden. Daneben ist die Mariakirke, die Lieblingskirche der Deutschen, und die königliche Festung Bergenshus. Auf der Südseite der Bucht leben die Einheimischen. In der Mitte ist der Torget, der Marktplatz, der die beiden Stadtviertel verbindet«, erklärte Bernhard Steding. »Bergen ist eine uralte Handelsstadt. Nicht nur wegen des Stockfisches. Hierher bringen auch die Gutsbesitzer im Dienste des Königs ihren Zehnten, und alles, was an Gütern übrig ist, kommt in den Handel. Außerdem erreicht man von Bergen aus über die offene See England, Island und Grönland.«
    Simon sah den Möwen zu, die das Schiff umkreisten, eine war ganz in ihrer Nähe auf der Reling gelandet. »Findest du es eigentlich richtig, dass die Hansen nicht weiter nördlich als bis Bergen segeln dürfen?«, erkundigte er sich.
    Bernhard Steding zuckte ratlos die Achseln. »Ich kann nur schwer darüber urteilen, stehe ich doch zwischen den Ländern, bin vom Herzen her halb Norweger, halb Deutscher. Aber schon jetzt sind die Hansen den anderen Kaufleuten überlegen. In Tyskebryggen geben vor allem die Lübecker den Ton an. Jeder fünfte in Bergen ist heute schon ein Deutscher. Es muss Regeln geben, damit die Hansekaufleute den Handel nicht ganz an sich reißen und dadurch die Norweger in Abhängigkeit bringen. Eine der Regeln ist das Verbot, von Bergen aus weiter nördlich oder westlich zu fahren, die andere Regel verbietet den Hansen den Kleinhandel.«
    Simon wusste, dass die Waren der Hansen mehr Wert besaßen als das, was die Norweger bieten konnten. Denn die Schiffe aus dem Süden brachten Getreide, Malz, Bier,

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