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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Küche und ein Vorratskeller gehörten. Überdies verfügte jede dieser Anlagen über ein Stück eigener Hafenfläche mit einem Schuppen und Wippebaum.
    Die Häuser waren aus einfachen Rundhölzern gefertigt und meist geteert. Durch die Galerien, die sich in den oberen Stockwerken entlangzogen, die Außentreppen und Seilwinden, die sich von den Dächern zu beugen schienen, wirkten die Gebäude noch verwinkelter. Überall roch es nach Fisch. Auch war es sehr kalt. Von der Packstube führte eine Treppe in die Außenstube im ersten Stock. Die Neuankömmlinge zuckten zusammen, als beim Vorbeigehen ein großer, tiefschwarzer Hund auffuhr und kläffend an seiner Kette riss. Es handle sich um den Wachhund, der nachts freigelassen wurde, um den Hof zu bewachen, erklärte Otte. Besonders gern tue er sich an vorwitzigen Lehrjungen gütlich, die nachts unerlaubterweise umherstromerten, fügte der Gesellenobmann feixend hinzu.
    In der äußeren Stube sollten die Gesellen und Lehrjungen ihr Essen einnehmen. Hier wurden jedoch auch die Gewichte und Werkzeuge des Hofes aufbewahrt. Von der Decke baumelten lederne Löscheimer, Tranlampen und imposante Trockenfische mit weit aufgerissenen Mäulern. In dem Speiseschrank neben der Tür befand sich ein großes Bierfass, was einige Jungen zu lautstarken Freudenbekundungen hinriss. Ein Stück weiter kamen sie an der Schreibkammer des Kaufmanns vorbei, in der die Geschäfte besiegelt wurden, und auch an anderen Räumen, die für das Kontor genutzt wurden. Die Wand zierte eine Reihe von Glocken, mit denen die unterschiedlichen Kaufleute ihre Arbeiter zusammenrufen konnten; ihre Seile führten in die Galerie.
    Der Baumeister wies auf einen Ochsenziemer, der an einem Haken hing, und zählte die Regeln auf, die für das Zusammenleben in der Tyskebrygge galten. Und Regeln gab es reichlich: Kein Lehrjunge, der zum Küchendienst abgestellt war, durfte sich im Feuerhaus die Hosen waschen oder Schuhe schmieren. Die Jungen durften einander nicht an den Haaren ziehen oder schlagen. Niemand durfte des Nachts in der Schötstube schlafen. Niemand durfte seine Füße auf die Bank legen. Lose Frauen, Türmädchen, wie man sie hier nannte, wurden nicht geduldet. Das Tragen von Waffen war verboten. Die Missachtung dieser Regeln wurde bei Lehrjungen durch Schläge mit dem Ochsenziemer geahndet, Gesellen und Kaufleute mussten ihre Strafe in Form von Bier bezahlen. Die Neuankömmlinge, selbst die älteren unter ihnen, warfen sich ängstliche Blicke zu; mit diesem Ochsenziemer wollte keiner von ihnen persönliche Bekanntschaft machen.
    Im zweiten Stock wurde der Fischgeruch durchdringender. Hier lagen die Schlafkammern der Kaufleute sowie die Räume der Gesellen und Jungen. Letztere waren fensterlos. Ihre Betten waren in zwei oder drei Reihen übereinander in die Wände gebaut und konnten mit Schiebetüren verschlossen werden. Sie würden sich zu zehnt eine Kammer und zu zweit eine Koje teilen müssen. Simon war auf einmal froh, dass sie auf dem ersten großen Schiff gewesen waren, das Bergen angelaufen hatte, denn noch war es in diesem Hof relativ leer. Andererseits würde auch er sich vermutlich über viele Menschen in einem Raum freuen. Da es im gesamten Hof kaum Feuerstellen gab, würde nur die Enge sie alle warm halten; schon jetzt fror Simon erbärmlich.
    Sie gingen auf den Dachboden, wo der Stockfisch in deckenhohen Stapeln lagerte und der Gestank unerträglich war. Schließlich zeigte der Baumeister ihnen am anderen Ende des langgezogenen Grundstücks noch das Feuerhaus, wie die Küche genannt wurde. Sie war groß und wurde anscheinend gemeinschaftlich genutzt, denn an dem Querbalken mit den Kesselhaken baumelten die Grapen in einer langen Reihe. Das Feuer wurde direkt auf dem Fußboden aus Sandsteinplatten entzündet. Es gab nur ein Klappfenster im Dach, welches dazu diente, das Licht hinein- und den Rauch herauszulassen.
    Die letzte Station war der Schütting, der einzige Saal, der ordentlich beheizt werden konnte. An den Wänden befanden sich Bänke, die durch Querstücke abgeteilt waren, auch hatte jedes Handelshaus, das diese Schötstube nutzte, einen eigenen Speiseschrank. Mitten im Raum befand sich ein mächtiger Tisch mit einer messingbeschlagenen Platte, auf der Bierkannen standen, und der als Kannenstuhl bezeichnet wurde. Simon war ganz benommen von all den fremdartigen Bezeichnungen, den vielen Regeln und den dunklen und engen Gängen und Winkeln dieses Hauses! Von der Decke hingen wieder die

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