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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Kraft gegen das Gerüst. Es schwankte leicht   – er bündelte noch einmal all seine Kräfte   –, dann stürzte es um. Staub wirbelte auf, keine Bewegung war mehr zu sehen. Hartwig hockte auf seinem Sims und grinste zufrieden in die Morgendämmerung. Das hatte er geschickt gelöst. Ein tragisches Unglück, nichts weiter.
    Doch da riss jemand an seinem Bein, zerrte ihn in die Tiefe, und bevor er noch reagieren konnte, streckten ihn schon harte Schläge zu Boden. Vanderens Wams war zerrissen, das Gerüst musste ihn erwischt haben, aber es hatte ihn keineswegs niedergestreckt. Jetzt packte Vanderen ihn am Nacken, schleifte ihn hinter sich her. Verdammt! Nur weil Rotger nicht aufgetaucht war, hatte er den Auftrag nicht ordentlich ausführen können! Er musste sich irgendwie befreien und um Hilfe rufen!
    In diesem Moment begannen die Glocken zu läuten: Offensichtlich war ein Feuer in der Stadt ausgebrochen.
    Vanderen drehte Hartwig auf den Rücken, fesselte ihn und band ihn an die Stalltür. »So gefährlich werde ich Euch also, dass Ihr nicht einmal vor einem Mord zurückschreckt, Vresdorp? Aber dieses Mal kommt Ihr nicht davon, das schwöre ich Euch«, sagte Adrian zornig.
    Hartwig Vresdorp überlegte. Aus eigener Kraft würde er sich nicht befreien können, ihm würde nur eine List helfen. »Nein, Ihr kommt nicht davon, Vanderen. Der, der mich geschickt hat, wird nichts unversucht lassen, Euch aus dem Weg zu schaffen.«
    Vanderen packte ihn am Kragen. Die Glocken schlugen ohne Unterlass. Aus den umgebenden Häusern waren Rufe zu hören. Der Kaufmann sah auf, wirkte beunruhigt.
    »Glaubt Ihr wirklich, ich falle auf Eure Lügen herein?«
    Hartwig bekam kaum Luft. »Das   ... ist keine Lüge. Ihr habt die Falschen gegen Euch aufgebracht. Lass mich frei, und ich verrate Euch alles. Ich gebe Euch mein Ehrenwort.«
    Vanderen lachte trocken. »Was ist Euer Ehrenwort schonwert?! Ich werde lieber mal nachschauen gehen, wo es brennt. Und wenn ich wiederkomme, bringe ich die Büttel mit.«
    Hartwig bekam es mit der Angst zu tun. »Und wenn es hier brennt?«, rief er ihm hinterher.
    »Dann bekommt Ihr nur, was Ihr verdient.«
    ~~~
    Lodernde Flammen. Funken, die im Nachthimmel tanzten. Dumpfes Krachen, als die Balken nachgaben, ohrenbetäubend wie unzählige Trommeln. Ihr Kopf, leicht, wie auf Federn gebettet. Widerstreitende Gedanken. ›Nun bin ich doch im Fegefeuer gelandet. Schön sieht es hier aus.‹ Henrike lächelte heiter, obgleich es eigentlich gar keinen Grund dafür gab. Da schob sich ein Gesicht über sie   – Adrian! Wie kam er hierher? Und warum glänzten seine Wangen feucht? Henrike strich ihm über das Gesicht. Sie bemerkte eine Träne in seinem Augenwinkel, die ihre Liebe plötzlich mit Wucht wieder aufwallen ließ. Weinte er etwa ihretwegen? Aber warum? Jetzt wurde ihr auch bewusst, dass er erleichtert ihren Namen gerufen hatte.
    »Was ist passiert?«, fragte sie verwirrt.
    Ein Schatten zog über Adrians Gesicht, als er zu sprechen begann: »Die Glocken läuteten ohne Unterlass. Es war merkwürdig, aber ich hatte so ein Gefühl, als ob   ... Ich musste einfach in die Alfstraße, und tatsächlich brannte euer Haus! Ich lief hinein, da sah ich Rotger   – und dich. Du warst schon bewusstlos.« Er schloss die Augen und ergriff sanft ihre Hand. »Also habe ich Rotger niedergeschlagen und dich herausgeholt.«
    Henrikes Blick verschwamm. »Ich verdanke dir also mein Leben?«
    Sie ließ die Finger an seinem Hals hinunterwandern. Plötzlich wollte sie ihn nur noch an sich ziehen und küssen, ihn endlich küssen.
    Adrian lächelte, bot ihr jedoch Widerstand. »So gerne ich es auch wollte, wir können nicht«, flüsterte er ihr zu. »Wir sind hier nämlich nicht allein.«
    Jetzt erst bemerkte Henrike, was um sie herum geschah. Sie hob den Kopf. Menschen bildeten eine lange Kette, reichten Eimer weiter und schütteten Wasser in das Feuer. Bürgermeister Swerting stand etwas erhöht und gab Anweisungen, wie ein Feldherr in einer Schlacht. Ihr Haus brannte! Jetzt fiel ihr auf einmal alles wieder ein. Das Gespräch mit Mette. Der Schlag auf den Kopf. Rotger. Ilsebes Sturz. Sie wollte aufstehen, doch Adrian musste ihr helfen, damit sie sich überhaupt aufrichten konnte.
    »Tante Ilsebe   ... Sie liegt im Haus. Vielleicht lebt sie noch«, sagte sie und tapste benommen los.
    »Wir haben schon nach ihr gesehen«, versicherte ihr Adrian vage.
    »Dann müssen wir helfen!« Henrike reihte sich in die Helferkette ein,

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