Hansetochter
Alfstraße. Ein Schock, nicht wahr? Aber wir wollen das Haus wiederaufbauen!«, sagte sie hoffnungsfroh.
Henrike schenkte ihm Bier ein und bat Margarete, ihm etwas zu essen zu bringen.
»Aber was ist denn nur geschehen?«, fragte er verwirrt.
Adrian und sie berichteten knapp vom Brand des Hauses und den anderen Geschehnissen und fragten ihn nach seinen Erlebnissen aus.
Henrike benahm sich, als wäre sie hier zu Hause, dachte er widerstrebend. ›Und wie vertraut sie mit Vanderen ist!‹
Schließlich sprach der Kaufmann es in einem Nebensatz aus: »Meine Frau und ich waren fest entschlossen, dich aus der Gefangenschaft zu befreien. Gleich nach unserer Heirat haben wir Geld nach Schonen geschickt, um dich auszulösen. Wie lange hast du noch ausharren müssen, bis du freigelassen wurdest? Konntest du einige der Waren retten?«, wollte Adrian wissen.
Jost verspürte ein heftiges Brennen auf seiner Haut, doch er unterließ es, sich zu kratzen. Es reichte schon, dass er sich kraftlos fühlte. Er musste nicht noch abstoßend aussehen. Andererseits gab es auch Grund für ihn, zufrieden zu sein. Er faltete die Hände, sprach mit ruhiger Stimme.
»Ich hatte die getauschten und eingekauften Waren glücklicherweise bei einem Händler gelassen, dem ich vertrauen konnte. Er hat sie sicher für mich verwahrt. Auch für Euch,Jungfer Henrike«, er stutzte, konnte es aber einfach nicht lassen, sie so zu nennen, »habe ich gute Geschäfte gemacht.«
Er zählte die Waren genauer auf, und Henrike lauschte ihm aufmerksam. Es tat ihm gut zu sehen, dass sie seine Leistung anerkannte. Eigentlich müsste er ihr jetzt zur Hochzeit gratulieren, aber er brachte es nicht übers Herz. Jost sah auf die unberührten Speisen auf dem Tisch hinab. Seine Hände verkrampften sich, sein Hals juckte teuflisch. Er hatte eine Hiobsbotschaft nach der anderen einstecken müssen, nun kam auch noch die Sorge vor der Zukunft dazu, die nicht einmal durch die Hoffnung auf Henrike abgemildert wurde.
»Wie soll es nun weitergehen? Hartwig Vresdorp wird zum Tode verurteilt oder zumindest schimpflich der Stadt verwiesen. Ich habe keinen Herrn mehr. Könnt Ihr mich vielleicht als Kaufgesellen annehmen?« Jost richtete flehend seinen Blick auf Henrike. »Niemand wird mich nehmen wollen. Jeder Kaufmann in Lübeck weiß von den Betrügereien und denkt, dass ich daran beteiligt war«, fügte er hinzu.
Henrikes Finger begannen auf dem Tisch zu tanzen. Sie schien es gar nicht zu bemerken, aber Adrian Vanderen legte sanft seine Hand auf ihre und brachte sie zur Ruhe. Jost konnte es kaum ertragen, die innige Berührung der beiden zu sehen.
»Du brauchst keine Stelle als Gehilfe mehr«, sagte Henrike nun entschlossen. »Du bist so weit, dich selbst als Kaufmann zu behaupten. Das hast du bewiesen. Wir werden dich unterstützen. Behalte die Waren, die du für mich gekauft hast und verkaufe sie weiter. Den Gewinn setzt du wiederum ein. In einem Jahr oder in zweien rechnen wir ab. Möglicherweise können wir uns auch an weiteren Geschäften beteiligen, aber das müssen wir in Ruhe besprechen. Denn du bist ein guter Kaufmann, das wissen wir.« Henrike strahlte ihn voller Zutrauen an, hielt aber weiter Adrians Hand.
Jost erhob sich abrupt. Er mühte sich, den Rücken durchzustrecken. Für sich allein verantwortlich, so schnell? Aber war er andererseits nicht schon die ganze Zeit für sich selbst verantwortlich gewesen? Adrian und Henrike standen ebenfalls auf.
Der Kaufmann hielt ihm nun die Hand hin. »Auf gute Geschäfte, Jost.«
Und der Gehilfe, der nun ein Kaufmann war, schlug ein.
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An Adrians Seite schlenderte Henrike über den Markt. Sie genoss es, mit ihm an den Ständen Halt zu machen, mit Händlern und Bekannten ins Gespräch zu kommen. Sie fühlte sich endlich wieder wohl in ihrer Stadt, hatte das Gefühl, ihren Platz gefunden zu haben. Besonders freute es sie, dass der Handel mit ihren neuen Waren gut anlief. Die Krämerin Rixe verkaufte für sie Katrines bestickte Gürtel, Korallenketten und Beutel für Wachstafelbüchlein in den verschiedensten Ausführungen und Farben.
Ihrer Familie an der Ostsee ging es gut. Katrine und Asta hatten sie noch nicht in Lübeck besuchen können, weil ihre Tante sich noch keine längere Reise zumuten wollte. Aber den Gutshof führte sie inzwischen wieder, auch wenn die Viehmutter Maria und der Knecht Hem sie gut vertreten hatten. Eine Rückkehr von Dietrich Grapengeter hatte Symon Swerting noch rechtzeitig verhindern
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