Hansetochter
geholfen. Jetzt wollte sie eine Schuld begleichen, die ihr auf der Seele lag. Cord hatte sich vor seiner Abfahrt nach Bergen auf Henrikes Wunsch nach Mettes Haus erkundigt. Sie wollte nicht noch einmal verkleidet in das Hurenhaus schleichen, um sich bei der jungen Frau zu bedanken.
Sie und Adrian ritten an Hopfenplantagen und Gemüsegärten vorbei. Überall standen Bäume und Büsche in frischem Maigrün. Nach kurzer Zeit hatten sie das Dorf erreicht. Das Haus lag etwas abgelegen am Rande des Dorfes, Mette wollte vielleicht unbehelligt bleiben. Das Haus war klein, aber frisch gestrichen, vor den Wänden blühten Maiglöckchen und Vergissmeinnicht. An einer langen Leine hingen schneeweiße Hemden. Ob ihr Vater einmal hier gewesen war? Es hätte ihm sicher gefallen. Sie machten sich durch Rufe bemerkbar, aber niemand öffnete, deshalb schlenderten sie um das Haus herum. Bei der Wäscheleine schlug plötzlich ein Tuch hoch, und ein Kleinkind tapste ihnen fröhlich glucksend entgegen. Als es sie bemerkte, hielt es inne, verzog erschreckt das Gesicht und begann zu greinen.
»Aber was ist denn? Du musst doch nicht weinen, hier bin ich doch ...« Mette war hinter der Wäsche hervorgetreten, ihre Stirn besorgt gerunzelt.
Als sie Henrike erkannte, hellten sich ihre Züge auf. Heutetrug sie ein einfaches, hochgeschlossenes Kleid, ihre Haare waren zu einem festen Zopf gebunden, fast sah sie bäuerlich aus.
Henrike begrüßte sie, stellte Adrian vor und bedankte sich überschwänglich bei ihr. »Hättest du nicht so schnell gehandelt, würde es mir jetzt vermutlich sehr schlecht ergehen«, sagte sie.
Mette nahm das Kind auf den Arm. »Wenn eine junge Frau das Risiko eingeht, heimlich des Nachts ihr Heim zu verlassen und verkleidet in einem Hurenhaus aufzutauchen, weiß man, dass sie dafür gewichtige Gründe hat. Mir war also klar, dass ich nicht warten kann. Außerdem ist dir ja auch dein Gemahl, wie ich hörte, zu Hilfe geeilt«, sagte sie schmunzelnd.
Henrike warf ihrem Mann einen verliebten Blick zu. »Er hatte ein ungutes Gefühl und wollte nachsehen, ob es mir gut geht«, sagte sie, worauf Mette laut lachte.
»Oh, ein Mann mit solcherart Gefühlen! Da hast du ein seltenes Exemplar erwischt.« Als die beiden nur höflich lächelten, fügte sie hinzu: »Starke Gefühle sind bei Männern ja nichts Ungewöhnliches. Nur sind sie meistens auf ... etwas anderes gerichtet.«
Henrike wollte dieses Thema vor Adrians Ohren nicht weiter vertiefen, deshalb band sie einen Beutel von ihrem Gürtel. »Ich wollte dir danken ... und habe dir auch etwas mitgebracht.«
Mettes Blick wurde abweisend, als sie das Klimpern von Münzen hörte. Ihre Tochter begann zu quengeln und sich auf ihrem Arm zu winden. Mette entfernte sich ein paar Schritte von ihnen und setzte die Kleine auf die Erde.
»Willst du mich beleidigen?«, fragte sie Henrike, die ihr nachgegangen war.
»Nein, ich ... Nichts läge mir ferner, als dich zu beleidigen. Ich dachte nur, dass du das Geld gebrauchen kannst. Mein Vater hat dich doch auch unterstützt. Außerdem habe ich diesen bestickten Beutel für dich, du kannst dein Wachstafelbüchlein darin verwahren.«
Mette drehte sich zu ihr um, ihre Züge waren wieder freundlicher. Beherrscht sagte sie: »Den Beutel nehme ich gern, er ist sehr schön. Ansonsten ist es Dank genug, dass es dir gut geht. Betrachte es als letzten Liebesdienst an deinem Vater. Wenn ich selbst einmal Hilfe brauchen sollte, komme ich auf dein Angebot zurück.«
Henrike erklärte sich einverstanden und reichte ihr den Stoffbeutel. Sie gingen ein Stück weit Seite an Seite. Als sie den Kräutergarten erreicht hatten, erzählte Henrike, dass Ilsebe vor ihrem Sturz den Giftmord gestanden hatte.
»Könnte man die Kräuterfrau nicht zur Rechenschaft ziehen, die ihr das Gift verkauft hat?«, wollte sie wissen.
Mette zupfte beiläufig einige welke Blätter ab. »Beweisen kann man es ihr sicher nicht. Es gibt giftige Kräuter und heilende, manchmal können Kräuter aber auch beides sein. Bei den meisten ist es so, dass erst die Menge das Gift macht. Es kann also sein, dass die Kräuterfrau nur einzelne Kräuter verkauft und deine Tante selbst die tödliche Mischung zusammengestellt hat.«
Henrike hatte schon so etwas befürchtet.
Als sie zurückkamen, saß Adrian mit dem kleinen Mädchen auf der Wiese. Auf seinen Handflächen türmten sich Kiesel. Henrike überkam ein zärtliches Gefühl, wie so oft, wenn sie Adrian ansah. Irgendwann
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