Hansetochter
Henrike, und sie wünschte, sie könnte seine Trauer lindern. »Aber ihr könntet sie doch dort besuchen«, meinte sie optimistisch.
»Sie will uns nicht sehen, nie mehr. Aber es bedeutet mir nichts. Denn als wir sie gebraucht hätten, war sie nicht da. Wenn mein Vater uns besoffen verprügelte, schaute sie einfach weg. Wir versteckten uns vor ihm. Meine kleinen Geschwister waren voller Angst. Ich war nicht viel älter als sie, aber ich war der große Bruder. Ich habe ihnen Geschichten erzählt, um sie abzulenken. Je besser meine Geschichten waren, umso weniger fürchteten sie sich. Also ging ich auf die Straßen, bat die Menschen um Geschichten, hörte ihnen zu. Und das mache ich heute noch. Es gibt immer jemanden, der eine Geschichte braucht. So wie du neulich.«
Er sah sie an, sein Blick war liebevoll und warm. »Ich wollte, dass du das weißt, damit keine Unwahrheiten zwischen uns stehen, wenn wir heiraten.«
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Vier Patrizier und ein Priester hatten sich auf Wunsch ihres Vormundes in dessen Haus eingefunden. Henrike war aufgewühlt, und auch Adrian wirkte weniger gelassen als sonst. Schon dreimal hatte er sie gefragt, ob sie sich wirklich gut genug für die Zeremonie fühle.
Sie mochten zwar keine sehr prächtige Hochzeit haben, aber zumindest wohnten ehrenwerte Männer ihrer Trauung bei. Dashätte Henrikes Vater gefallen. Zumal es mit Hermanus von Osenbrügghe, Johan Perceval, Jacob Plescow und Ratsmann Lange Männer waren, zu denen ihr Vater eine enge Verbindung gehabt hatte.
Symon Swerting trat in seiner Bürgermeistertracht vor. »Dieweil mit Rat, Wissen und Willen beider Seiten eine Ehe besprochen und ausgehandelt worden ist, bitte ich Euch, verehrte Herren, dabei zu sein und diese auch zu bezeugen«, sagte er förmlich.
Er bat Henrike und Adrian zu sich. Jetzt gesellte sich der Priester zu ihnen, befragte sie nach ihren Namen und ließ sich bestätigen, dass sie gekommen waren, um einander das Jawort zu geben. Dann nahm er Adrians und Henrikes rechte Hände und verband sie.
»Sprecht mir nach, Adrian Vanderen: Ich, Adrian, nehme dich, Henrike, zu meiner ehelichen Frau und gelobe, dich zu lieben und zu beschützen.«
Der Bräutigam wiederholte die Worte, seine sonst so feste Stimme bebte vor Aufregung, wie Henrike gerührt bemerkte.
Der Priester nickte gewichtig und blickte nun Henrike an. »Ich, Henrike, nehme dich, Adrian, zu meinem ehelichen Mann und gelobe dir meine Liebe und Treue bis an mein Ende.«
Henrike sprach die Worte nach, und auch ihre Stimme zitterte. Zart drückte Adrian ihre Finger und lächelte sie an.
Der Geistliche sagte feierlich: »Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Also gebe ich euch zusammen, Adrian und Henrike, in den Orden der heiligen Ehe im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
Nach der Eheschließung bat Symon Swerting sie in einen Saal, wo er ein kleines Festmahl zu Ehren seines Mündels servieren ließ. Auch bei dieser Gelegenheit ging es schnell wieder um die vergangenen Ereignisse. Adrian wurde noch einmal eingehend dazu befragt, wie er dem Betrug auf die Spur gekommen war. Bald drehte sich das Gespräch um die Frage, wie manden Handel sicherer gestalten könne, wozu Adrian zahlreiche Vorschläge hatte, die von den Bürgermeistern und Ratsherren interessiert aufgenommen wurden. Auch schien Hermanus von Osenbrügghe ein Interesse daran zu haben, Adrian in seinen Stockholmhandel einzubeziehen.
Henrike fühlte, wie ihre Angst vor der Zukunft in dieser Runde gänzlich schwand. Mit Adrian an ihrer Seite und diesem Rückhalt in der Stadt würden sie die Widrigkeiten, die ihnen möglicherweise noch bevorstanden, leichter bewältigen können. Als sie Symon Swerting beim Abschied dankte, meinte er schlicht, dass die Feier wohl das Mindeste gewesen sei, das er für sie habe tun können.
An diesem Abend lagen Henrike und Adrian zum ersten Mal als Ehepaar beieinander, sie fühlten sich stark und untrennbar einander zugetan.
Am nächsten Morgen wurde bei einem Kirchgang ihr Bund im Angesicht Gottes bekräftigt. Henrike war überglücklich.
Alles würde gut werden, solange sie einander hatten, dessen war sie gewiss.
28
A m ersten Nachmittag, an dem der Schwindel wieder ganz aufgehört hatte, ritten Henrike und Adrian vor die Tore der Stadt. Mit jedem Tag, den es ihr besser ging, hatte sie mehr unternommen. Sie hatte mit Margarete wieder Almosen an die Bettler verteilt, hatte Waren gesichtet und in Adrians Kaufkeller
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