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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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müssen, wer sich als Freibeuter geschlagen geben musste. Meist hatte Henrike ihn gewinnen lassen. Nur, wenn sie zur Strafe bis zum Hals in ein Fass gesteckt werden sollte, wie es den gefangenen Seeräubern geschah, hatte sie rebelliert.
    Henrike bog in die Alfstraße ein. Sie machte einen großen Bogen um den Hirten, der die Schweine zum Markt trieb und dabei rabiat wurde, weil die Tiere lieber grunzend ihre Nasen in den Straßendreck steckten. Manche Straßen Lübecks waren inzwischen gepflastert. Eine Abflussrinne in der Mitte sollte dafür sorgen, dass der Dreck nicht zu hoch in ihnen stand, aber es gab einfach zu viel Abfall und Kot, der auf der Straße landete. Ohne ihre hölzernen Trippen mit den hohen Hacken, die sie als Schutz vor dem Matsch über ihren Lederschuhen trug, wäre sie heute knöcheltief im Schmutz versunken.
    In der Diele des Hauses wartete ihre Base auf sie, die natürlich sogleich die Dreckspritzer an Henrikes Rocksaum entdeckte. »Wusste ich doch, dass es Unsinn ist, deinem Vater in den Hafen zu folgen«, meinte Telse vorwurfsvoll.
    Henrike wischte vorsichtig über den Stoff. Margarete würde wissen, wie man die Flecken schonend entfernte.
    »Dabei wollten wir doch die Fähnchen zum Rathaus bringen! Du willst doch nicht etwa den ganzen Tag in diesem Kleid bleiben?« Sie wies auf den großen Stapel bunter Fähnchen neben der Tür.
    Da der Stadt nur wenig Zeit geblieben war, den Besuch des Kaisers vorzubereiten, war kurzerhand verordnet worden, dass jeder Haushalt Fähnchen zum Schmuck der Straßen fertigen sollte. Natürlich hatte ihr Vater sich nicht lumpen lassen und großzügig Stoff bereitgestellt.
    Eilends lief sie in den Flügelanbau. Ergeben hörte sie sich Margaretes Strafpredigt wegen der Flecken an und war dankbar, dass die Alte ihr half, das Kleid gegen ein schlichteres Gewand zu tauschen. Als sie in die Diele zurückkehrte, schrak sie kurz zusammen: Ihr Vater und Adrian Vanderen waren ebenfalls schon eingetroffen. Nun konnte Henrike den Gast noch einmal genauer in Augenschein nehmen.
    Der Kaufmann war groß gewachsen und schlank. Er hatte ein schmales, männliches Gesicht mit einem Grübchen im Kinn. Gegen seine schwarzen Haare wirkten die blauen Augen sehr klar, auf den Wangen zeigten sich Bartschatten. Trotz der Risse und Flecke konnte sie erkennen, dass seine Kleidung aus kostbaren Stoffen geschneidert war. Sein Wams war an der breiten Schulter rot durchweicht, der Fleck schimmerte feucht. Als er sie bemerkte, trat er näher und verbeugte sich.
    »Verzeiht meinen Aufzug. Ich bin Adrian Vanderen«, stellte er sich knapp vor.
    Sie überlegte, wo er ursprünglich herkommen mochte. Jetzt lebte er in Brügge, doch er sprach mit einem warmen, weichen Zungenschlag, süddeutsch auf jeden Fall. Henrike hatte ein gutes Gehör für Sprachen. Es gab zwei Hauptsprachen denen Hansehändler, das Mittelniederdeutsche und das Latein, in der sich alle verständigen konnten. Zu Simons Unterricht, dem Henrike beiwohnen durfte, hatte es aber auch gehört, die wichtigsten Redewendungen auf Englisch, Flämisch und Französisch zu lernen. In diesen Stunden war Henrike nicht aus der Lehrstube gewichen, und Simons Lehrer hatte das wissbegierige Mädchen bald mehr unterwiesen als ihren Bruder.
    Adrian Vanderen richtete sich wieder auf. Die geschwungenen Lippen hatte er so stark zusammengepresst, dass das Blut aus ihnen gewichen war. Ihr Vater umfasste den Arm des Gastes, sein Blick war besorgt.
    »Gut, dass ich die Vorgänge beim Zoll beschleunigen konnte. Ihr solltet Euch ausruhen. Ich habe Simon bereits nach dem Ratsmedicus geschickt.«
    Adrian Vanderen hob abwehrend die Hand. »Ich muss erst nach meinen Männern sehen«, beharrte er. Sein Gesicht zeigte ein angestrengtes Lächeln, das jedoch erneut einem schmerzverzerrten Ausdruck wich, als er die ersten Schritte machte. »Nun gut, ich warte auf den Medicus, für meine Männer ist ja erst mal gesorgt«, gab er widerstrebend nach.
    Konrad Vresdorp führte ihn in die Gästestube. Jost trug mit dem Knecht eine Truhe hinterher, so kostbar, wie Henrike sie noch nie gesehen hatte. Sie war aus schwerem poliertem Eichenholz, filigran verziert und mit gold-glänzendem Metall beschlagen.
    »Euer Gepäck ist bereits hier, die Waren folgen bald. Ich werde Euch Wasser bringen lassen, damit Ihr Euch erfrischen könnt«, sagte Konrad Vresdorp. Doch sein Gast hielt ihn zurück.
    »Wenn auch mein Besuch unter etwas unglücklichen Umständen beginnt, so will ich doch

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