Hansetochter
blieb keine Zeit, seine Armbrust zu spannen, hieb kurzerhand wuchtig mit der Waffe zu. Auch Bosse verteidigte sich tapfer. Bald waren sie jedoch von einer Übermacht umstellt. Von allen Seiten stieß und hieb es auf sie ein. Kaum konnten sie sich drehen und wenden. Adrian ließ die Armbrust fallen, zog sein Schwert. Schlag um Schlag ging er auf die Angreifer los, drängte sie über Bord oder die Treppe hinunter. In einer Atempause raste sein Blick über das Deck. Von den geschwärzten Balken und Kisten stieg Rauch auf. Das Feuer schien gelöscht, vorerst zumindest. Cord, der glatzköpfige Koch, schwang sein Schlachterbeil. An Deck lagen schon einige Tote in ihrem Blut, auch einen der Kaufmänner hatte es erwischt.
Blind vor Wut schlug Adrian auf einen Seeräuber ein. Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung, spürte einen Luftzug, knickte instinktiv in der Hüfte ein. Ein Beil fauchte über seinen Scheitel hinweg. Splitternd zerbarst die Schiebeluke, als es dort einschlug. Adrian stach zu. Der Pirat sackte über ihm zusammen, doch der nächste rückte bereits vor, ein kräftiger Kerl mit einem wilden Bart. Adrian hob sein Schwert keinen Lidschlag zu früh, beinahe hätte ihm der Pirat den Kopf vom Rumpf getrennt. Klirrend trafen die Schwerter aufeinander. Jeder versuchte die Überhand zu gewinnen. Adrian tänzelte, wollte sich nicht in die Ecke drängen lassen, obgleich der Angreifer über größere Kräfte verfügte als er.
Im erbitterten Kampf näherten sie sich der Schiffsmitte, da gerieten die Bootsjungen in sein Blickfeld. Liv war ausgerutscht, seine Züge von Todesangst verzerrt. Jan versuchte ihm aufzuhelfen, doch er war selbst bereits verwundet. Ein Pirat stürzte sich auf die beiden, holte weit mit dem Säbel aus. Adrian machte einen Ausfallschritt, trieb dem Piraten blindlings das Schwertin die Seite; als dieser fiel, gab er damit die Bootsjungen wieder frei. Auf diese Gelegenheit hatte der Bärtige nur gewartet. Mit einem schweren Hieb riss er Adrian das Schwert aus der Hand. Klirrend schlitterte es über die Planken. Adrian sprang hinterher, streckte den Arm danach aus, aber der Bärtige war schneller. Er stieß es mit dem Fuß weg, kam auf Adrian zu, die Klinge siegessicher erhoben. Adrian sprang auf die Füße – was konnte er noch tun? Der Beutel! Seine Finger in sein Wams, er griff ungelöschten Kalk, hob die Hand und pustete dem Piraten das Pulver ins Gesicht. Der brüllte, rieb sich die Augen, taumelte. Mit zwei weit ausholenden Schritten hatte Adrian sein Schwert wieder erreicht und den Piraten entwaffnet. Er holte zum Schlag aus, der Mann duckte sich weg. Adrian traf ihn nur mit der Breitseite des Schwertes an der Schläfe, doch der Pirat taumelte.
Gerade wollte Adrian ihn über Bord stoßen, da traf eine Enterdregge seine rechte Schulter. Stechender Schmerz durchfuhr ihn, als sich zwei Spitzen des Ankers in sein Fleisch bohrten. Er strauchelte, knallte auf die Bohlen. Schon war ein weiterer Seeräuber über ihm, schwang seinen Säbel, um ihm die Kehle aufzuschlitzen. Adrian zog die Knie an und trat ihm in den Bauch. Der Pirat krachte gegen die Schiebeluke. Im gleichen Augenblick hörte Adrian den Schiffer schreien. Er sah, dass Bosse von mehreren Kaperern überwältigt zu werden drohte. Auch Adrians Angreifer hatte sich wieder aufgerappelt und wollte sich erneut auf ihn werfen, da sackte er mit einem Mal in sich zusammen – hinter ihm tauchte der schmale Kaufmannsgehilfe auf. Amelius hatte dem Freibeuter seinen Dolch in den Rücken gestoßen und lehnte nun bleich an der Luke.
»Na also«, sagte Adrian mit zusammengebissenen Zähnen. Er zog dem Toten den Dolch aus dem Rücken und gab ihn dem Kaufmannsgehilfen. »Und nun helft dem Schiffer. Los!« Kaum stolperte der Gehilfe die Treppe hoch, als er schon die Aufmerksamkeit eines Piraten auf sich zog. Adrian wollte auchhochsteigen, konnte seinen Oberkörper jedoch vor Schmerzen kaum bewegen. Der Enterhaken ragte aus seiner Schulter und bohrte sich bei jeder Bewegung tiefer in sein Fleisch. Er packte das Eisen und zog daran, bis sich seine Sinne trübten. Die Reling umklammert, sah er sich um. In seiner Nähe machte Heymo Ratze gerade einem Piraten den Garaus. Adrian Vanderen rief zu dem Kaufmann, mit dem er eben noch im Clinch gelegen hatte: »Vorhin wolltet Ihr mir doch Schmerzen zufügen. Jetzt dürft Ihr es. Zieht mir die Enterdregge raus!« Ratzes Augen brannten vor Kampfeslust. Als er Adrians Wunde sah, grinste er
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