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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Vater mir auch ein Angebot gemacht.« Er winkte einen Diener heran. »Nach dem Schreck musst du dich erst einmal stärken«, sagte er. Auf dem Tablett lagen kandierter Ingwer, Fruchtgelee, Pinienkonfekt und etwas, das Henrike nicht kannte.
    »Wer ist es, bitte verrat es mir!«, bettelte Henrike.
    Konrad Vresdorp nahm mehrere Stücke vom Tablett und reichte ihr das unbekannte Konfekt. »Du kannst fragen, so viel du willst, ich werde nichts mehr dazu sagen. Hier, koste das«, forderte er sie gutwillig auf.
    Henrike mochte nicht. Sie wollte mehr erfahren, schließlich ging es um ihr Leben, ihre Zukunft. Aber wenn ihr Vater das Thema beenden wollte, gehörte es sich nicht, ihn zu bedrängen. Sie biss also ein Stück von dem Naschwerk ab. Es war süß, schmeckte nach Nüssen und zugleich irgendwie   ... sie wusste es nicht zu sagen   ... blumig.
    »Marci Panis nennt man es«, erklärte ihr Vater. »Es kommt aus dem Orient und wurde eigens für den Kaiser hergestellt. Eine Kostbarkeit aus Zucker, Mandeln und Rosenwasser. Kaiser Karl liebt es sehr, man erzählt sich, er habe im italienischen Siena mit Blattgold überzogene Laibe dieses süßen Brotes verehrt bekommen.«
    Henrike ließ den nächsten Bissen auf der Zunge zergehen. Der unvergleichliche Geschmack besänftigte sie, und sie fand sich damit ab, dass sie heute nichts mehr herausfinden würde.
    »Köstlich ist es tatsächlich. Ist der Kaiser denn zufrieden mit all den Wohltaten, die Lübecks Bürger ihm bieten?«, fragte sie.
    Konrad Vresdorps Mundwinkel hoben sich weit, seine Augen leuchteten vor Begeisterung, als er antwortete: »Mit ›Ihr Herren‹ hat er uns angeredet   – das ist eine unerhörte Ehre. Lübeck isteine der fünf Städte, denen der Kaiser diese Ehre angedeihen lässt, heißt es. Die anderen sind Rom, Venedig, Pisa und Florenz. Der Besuch des Kaisers ist ein voller Erfolg für diese Stadt.« Als er bemerkte, dass sein Bruder auf sie zukam, unterbrach Henrikes Vater sich unwillig.
    Hartwig Vresdorp schien die allgemeine Zufriedenheit nicht zu teilen. »Bruder, auf ein Wort«, sagte er und hielt Konrad Vresdorp auffordernd einen von zwei Bechern hin.
    Doch ihr Vater reichte Henrike die Hand, und sie folgte ihm nur zu gern. »Nicht jetzt, Hartwig. Unsere Geschäfte müssen warten. Ich habe Wichtigeres zu tun. Ich muss nämlich mit meiner Tochter tanzen.« Hartwig Vresdorp sah ihnen konsterniert nach.
    Sie mischten sich in die Reihe der Tanzenden. Henrike war glücklich. Dass sie diesen besonderen Abend erleben durfte! Sie gehörte einer angesehenen Familie in einer der wichtigsten Städte des Reiches an, eine vielversprechende Zukunft lag vor ihr. Und ihre Heirat erst! Sie würde nicht mehr zur Ruhe kommen, bis sie endlich mehr wusste! Wie sie darauf brannte, Telse davon zu erzählen!
    Beim Abschied umarmte ihr Vater sie noch einmal fest. Er stand mit Adrian Vanderen im Eingang des Rathauses, umhüllt von dessen Licht und Glanz. Er würde noch weiter feiern, hatte er erklärt. Noch oft sollte Henrike später an diesen Moment denken   – denn es sollte ein Abschied für immer sein.
    ~~~
    Eine Tür knallte. Henrike zog schlaftrunken die Decke hoch und drehte sich zur Wand. Sie lächelte unwillkürlich, als ihr der Ratsball wieder einfiel, als sie an die vielen Komplimente und anerkennenden Blicke dachte, die sie im Laufe des Abends bekommen hatte   – und dann die Heiratspläne! Auch Jost, der sieund Simon am Ende des Balles abgeholt und nach Hause begleitet hatte, hatte den Blick kaum von ihr wenden können.
    Jetzt bemerkte sie, wie Schritte über den Gang tapsten und Türen klappten. Worte drangen an ihr Ohr. Simon schlief ruhig neben ihr, behutsam strich sie über sein Haar. Die Stimmen klangen erregt, schrill. Was war da los?
    Henrike stieg aus dem Bett, legte sich ein Schultertuch um und schlich aus dem Zimmer. Der Lärm und das Licht kamen aus dem Haupthaus. Waren es ihr Vater und sein Hausgast, die noch feierten? Die Geräusche klangen allerdings ganz und gar nicht fröhlich. Henrike linste durch den Spalt der Tür, die in die hohe Diele führte. Margarete saß am Tisch, ihre Schultern zuckten. Ihre Tante Ilsebe starrte auf etwas, das Henrike nicht erkennen konnte, weil es sich hinter dem Tisch befand. Rotger, der Gehilfe des Onkels, ein vierschrötiger Mann mit dichtem Bart, stützte sie. Und da war Adrian Vanderen, erschüttert. Er trug ein schlichtes, offenes Hemd, das den Blick auf seine muskulöse Brust freigab. Hinter dem Tisch

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