Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
Vom Netzwerk:
nach Henrike und Simon Ausschau gehalten hatte, doch die beiden waren nicht zu sehen gewesen. Simon tat ihm leid. Er mochte den Jungen, der es gewiss unter der Führung seines hartherzigen Onkels nicht leicht haben würde. Und Henrike? Vielleicht war es gut gewesen, dass sie nicht da war   – möglicherweise hätte sie ihm wieder nur Vorwürfe gemacht.
    Cord und Liv kamen herein. Sie schleppten Körbe mit Brot und Gemüse heran.
    »Wein und Bier werden geliefert. Wucher ist das hier. Nur weil der verdammte Kaiser da ist, glauben die, sie könnten einen über den Tisch ziehen!«, schimpfte Cord und tupfte sich den Schweiß von seiner Glatze.
    Adrian zischte ungehalten. Der Koch blickte verschreckter auf, als man es bei seinem Aussehen erwartet hätte.
    »Du bist nicht auf dem Schiff! Wenn du hier für mich kochen willst, dann benimm dich, wie es sich für einen Kaufmannshaushalt gehört«, sagte Adrian, und Cord nickte zerknirscht.
    Adrian sah an den beiden herab. Noch immer trugen sie die abgewetzte Kleidung der Seeleute. »Wir werden euch erst einmal standesgemäß einkleiden. Und dann wollen wir nach Bosse und meinem Schiff sehen.«
    ~~~
    Bosse Matys sprang von seinem Platz auf der Holzbank vor dem Heiligen-Geist-Hospital auf und rannte ihnen entgegen. Er bewegte sich erstaunlich geschmeidig. Über seinem versehrtem Auge trug er eine Binde, die ihn jedoch kaum zu behindern schien. Adrian war erleichtert. Insgeheim hatte er sich um den alten Mann gesorgt. Er wusste, dass es immer auch eine Frage des Willens war, ob ältere Menschen nach einer Krankheit oder einem Unfall wieder auf die Beine kamen.
    »Endlich seid Ihr da, Herr! Mein Hintern ist vom Herumsitzen schon ganz platt! Und die ewige Frömmelei kann ich nicht mehr ertragen!«, begrüßte er sie.
    Dann wanderte sein Blick zu Adrians Begleitern, und der Alte brach in schallendes Gelächter aus. »Wie seht ihr denn aus? Ich muss doch nicht etwa auch so herumlaufen? Das tut Ihr mir doch nicht an, Herr, oder? Da bleibe ich lieber hier!«
    »Überleg dir genau, mit wem du sprichst!«, meinte Cord, während er an seiner Hose herumzupfte, die zwischen den Beinen zu kneifen schien. »Ich bin jetzt Koch eines feinen Kaufmanns!«
    »Du hältst dich also für was Besseres, oder was?« Bosse hieb ihm spielerisch die Faust gegen die Brust.
    »Besser aussehen als du tue ich allemal«, entgegnete Cord, der unwillig Bosses Hand wegschlug, was der Schiffer ohne Zögern mit einem weiteren Stoß quittierte.
    »Schluss jetzt!«, mischte sich nun Adrian zwischen die Streithähne. »Ist wirklich Liv hier der Einzige von euch, der sich benehmen kann?« Der Junge rieb sich verlegen die mit Sommersprossen übersäte Nase. Er wollte nicht zwischen die Fronten geraten. Außerdem trug er sein neues Wams und die Beinlinge offenbar ganz gern. Die Männer hielten inne. Dann gaben sie sich die Hände, rieben die Fäuste aneinander und stießen mit den Schultern zusammen.
    Bosse lachte wieder. »Wir sind alle was Besseres, oder?«, sagte er.
    »Genau, Käpt’n«, stimmte Cord erleichtert ein.
    Adrian hatte oft an Bord beobachtet, dass der Koch Streit schlichtete. Dennoch war es fraglich, wie die Männer mit ihren neuen Aufgaben an Land klarkommen würden. Cords Kochkenntnisse jedenfalls ließen zu wünschen übrig. Für eine Schiffsbesatzung war es ja gut genug, ob es aber für ein Kaufmannshaus reichen würde, war nicht sehr wahrscheinlich. Allerdings wusste Adrian selbst noch nicht genau, wie es weitergehen würde. Es würde auch davon abhängen, wie lange es dauerte, sein Schiff wieder auf Vordermann zu bringen. Es war höchste Zeit, sich um die Cruceborch zu kümmern.
    ~~~
    Immer wieder ließ der Schiffsbauer das kleine Ruderboot, in dem sie saßen, nah an die Cruceborch heranbringen, klopfte das Holz ab und runzelte die Stirn. Adrians Kogge bot ein trauriges Bild. Die Schiffswand war gesplittert, wo das Piratenschiff sie getroffen hatte, und wies weitere Schäden auf, die er bisher noch nicht bemerkt hatte. Als sie die Kogge einige Male umrundet hatten, kletterten sie an Bord. Die Brandpfeile hatten kohlschwarze Wunden in der Bordwand und an Deck hinterlassen. Das Segel war mit Rissen der Enterdreggen und Pfeile übersät. Allerorten konnte man noch die getrockneten Blutlachen auf dem Holz erkennen. Adrian überfielen dumpfe Trauer und Wut bei dem Gedanken an die Männer, die bei der Verteidigung seines Schiffes ihr Leben gelassen hatten. Hoffentlich würde man die Seeräuber fassen

Weitere Kostenlose Bücher