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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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üblich, dass ein Kaufmann für den anderen Waren kaufte und verkaufte, jeder ging dabei in Vorleistung. Mit Konrad Vresdorp hatte er zahlreiche Geschäfte gemacht, bei denen mal der eine, mal der andere mehr Geld vorgestreckt hatte. Beide hatten stets davon profitiert. Nichts anderes war auch zuletzt geschehen. Wusste sie das denn nicht? Aber ihre Worte hatten seinen Stolz verletzt. Unter anderen Umständen hätte er zweifellos gelassener reagiert. Doch der Piratenangriff, die Verletzung und die Ungewissheit durch den Tod seines Geschäftspartners hatten auch ihn dünnhäutiger gemacht.
    Mit einer vertraulichen Geste beugte Ratsherr Diercksen sich nun zu ihnen.
    »Ich habe etliche Gulden für einen Schwertmeister springen lassen, der Vicus vor den Toren der Stadt auf Trab gebracht hat.Ich will mich ja schließlich nicht vor all den Leuten hier blamieren.« Diercksen deutete ein Lachen an, wischte sich aber gleich über die Augen. »Ja, es könnte lustig sein, wenn es nicht so traurig wäre. Mein Freund Konrad hätte sich hier auch gut amüsiert, so manchen Humpen hätten wir schon auf die Sieger geleert.« Die Männer schwiegen einen Augenblick im Andenken an den Freund.
    Adrian Vanderen wurde das Herz schwer. Es gab nur wenige Männer, mit denen man gute Geschäfte machen konnte und mit denen man sich verstand. Er würde Konrad Vresdorp und seine Lebenslust vermissen. Erneut kamen ihm Zweifel, die sich partout nicht beschwichtigen lassen wollten, sooft er auch darüber nachsann. War Konrad Vresdorp tatsächlich das Opfer seiner sinnlichen Begierde geworden? Denn die Lust war es wohl gewesen, die ihn in der Nacht des Ratsballes noch einmal auf die Straßen getrieben hatte. Konrad wollte das Hurenhaus besuchen, wollte sich zur Feier des Tages von einer Dirne, für die er gewisse Sympathien zu hegen schien, verwöhnen lassen. Er hatte Adrian eingeladen, ihn zu begleiten, hatte ihm angeboten, ihn die ganze Nacht lang freizuhalten. Doch Adrian hatte diese Einladung abgelehnt. Er hatte seine Schulterverletzung vorgeschützt, aber vor allem hatte er an Henrike gedacht, an ihr unverstelltes Wesen, ihre jungfräuliche Schönheit. Das Bild ihres Gesichtes, bei ihrem Tanz vor reiner Freude strahlend, hatte er vor sich sehen wollen, nicht die gekaufte Lust einer Dirne. War Konrad Vresdorps Tod tatsächlich ein tragischer Schlag des Schicksals? Oder hatte vielleicht jemand nachgeholfen? Es stimmte, Männern in seinem Alter versagte oft das Herz den Dienst. Adrians Zweifel waren wohl nur Ausdruck seiner Unfähigkeit, den Tod seines Freundes zu akzeptieren.
    »Wie steht’s, Vanderen, habt Ihr schon eine standesgemäße Unterkunft gefunden? Die Gasthäuser sind doch sicher alle voll«, riss Kaufmann Dartzow ihn aus seinen Gedanken und polierteversonnen die silbern glänzenden Knöpfe an seinem Wams. Er hielt sich als Gastgeber des Kaisers meist auf der anderen Tribüne auf, wie Adrian bemerkt hatte.
    »Ich konnte den Wirt des Gasthofes am Rathaus überzeugen, dass er ein Zimmer frei hat«, antwortete Adrian. »Aber ich werde mich nach etwas Dauerhafterem umschauen müssen. Ich spiele mit dem Gedanken, in Lübeck Grundbesitz zu erwerben«, fügte er hinzu, allerdings hörte Dartzow schon gar nicht mehr hin, weil er mit großer Geste zu den Gästen von hohem Stand hinüberwinkte. Wie andere Kaufleute hatte auch er die Tendenz, sich beim Adel anzubiedern. Adrian hingegen war diese Unterwürfigkeit fremd. Er war der Meinung, dass der Stand nicht das Geringste darüber aussagte, ob man ein guter oder wertvoller Mensch war.
    Das Zimmer, das er für sich hatte finden können, befand sich im besten Gasthaus Lübecks und machte ihn dennoch nicht zufrieden. Wie alle Gasthäuser war auch dieses derzeit überfüllt, vor Diebesgesinde und Huren konnte man sich kaum retten, ob in der elendigsten Schenke oder im ersten Haus der Stadt. Der Wirt hatte ihn abweisen wollen. Es war ein großer Betrag notwendig gewesen, damit er ein Zimmer freimachte. Kaum hatte Adrian seine Truhe in das Zimmer bringen lassen, hatte es schon geklopft, und eine Dirne hatte sich ihm angeboten. Er hatte sie abgewiesen, ihm hatte nicht der Sinn nach Zerstreuung gestanden. Auch war sie zu jung und aufgetakelt für seinen Geschmack gewesen. Immer wieder hatte er an Henrike denken müssen, an die brennenden Augen der jungen Frau, die Verzweiflung in ihrem Blick nach dem Tod des Vaters. Auch wenn er jetzt an sie dachte, schlug sein Herz wieder heftiger. Traute sie ihm

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