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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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ein würziger Duft in der Luft hing. An einer Wand waren Säcke verschiedenen Inhalts aufgereiht. Asta ließ sich einen Sack nach dem anderen bringen, prüfte Walnüsse, Haselnüsse und orangerote Beeren auf ihre Qualität, sortierte beschädigte aus und zeigte Henrike, worauf man dabei zu achten hatte. Als sie ihre Inspektion beendet hatte, ließ sie einige Säcke hinausbringen und die Fässer, in denen sich den Markierungen nach Salz befand, von ihrem Wagen abladen. Fische mussten eingelegt und Fleisch gepökelt werden. Das Schlachtfest stand bevor, die Zeit des Schmausens und der Fülle. Denn was nicht sofort haltbar gemacht oder verspeist wurde, verdarb, also ließ man es sich gut gehen.
    Henrike lenkte den Wagen zurück zum Gutshof, und dieses Mal ging es schon besser. Wieder bemühte sie sich, mit Asta ein Gespräch anzufangen, sie nach ihrer Vergangenheit und der Familie zu befragen, doch die alte Frau antwortete nur einsilbig.
    Im Gutshof nahmen sie mit dem Gesinde eine Mahlzeit ein. Bei Astas Tischgebet ließ Henrike ihre Augen über die Menschen wandern. Es waren erstaunlich viele Bedienstete auf diesem Hof beschäftigt. Einige hatte sie vorher noch nicht zu Gesicht bekommen, auch viele Kinder waren zu sehen. Asta stellte ihr die Viehmutter vor, eine stämmige Frau namens Maria, ihren Knecht Sasse, über dessen hageren, sonnengegerbten Zügen die Haare hellblond leuchteten, ihren weiteren Knecht und Schreiber Hem, einen pummeligen jungen Mann, und schließlich noch die junge Magd Katrine, die am Morgen mit der Wachstafel gearbeitet hatte.
    Nachdem die Tafel aufgehoben war, forderte Asta das Mädchen auf, Henrike den Hof zu zeigen. Als die beiden hinausgingen, fiel Henrike auf, dass Katrines Kleid zwar ebenso einfach war wie das der Mägde, dass sie um die Hüfte jedoch einen fein bestickten Gürtel trug. Als sie sie darauf ansprach, wurde Katrine ein wenig rot. »Ich weiß, das steht uns nicht zu. Die schönen Sachen sind euch feinen Damen vorbehalten. Aber ich hab ihn selbst gemacht. Und die Herrin hatte nichts dagegen. Sie hat mir sogar das Garn geschenkt«, sagte sie bestimmt.
    Henrike lächelte das Mädchen an, es tat gut, jemanden zu treffen, der frei heraus mit ihr sprach.
    »Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Darf ich ihn mal sehen?«
    Das Mädchen zögerte, als fürchtete sie, dass Henrike ihr den Gürtel wegnehmen könnte. Doch schließlich überwand sie ihr Misstrauen und band ihn ab. Henrike bewunderte die fein gestickten Blumen in verschiedenen Farbtönen, die zarten Blütenblätter und die filigranen Dornen an den Rosenstielen. Sie hätte nicht so kunstvoll zu sticken vermocht, selbst wenn sie die Geduld dafür aufgebracht hätte.
    »Er ist wirklich wunderschön. Jede Städterin würde dich darum beneiden«, sagte sie und gab ihn zurück.
    Katrine lächelte wortlos, band den Gürtel schnell wieder um und lief voraus. Auf der anderen Seite des Hofes traten sie in einen Schuppen, in dem etwa zwanzig Frauen teils Flachs verarbeiteten, teils webten, Wolle färbten oder nähten. »Hier darf ich eines Tages auch arbeiten, hat die Herrin gesagt«, sagte Katrine, und ihre Augen leuchteten, als könne sie es kaum erwarten.
    Henrike sah sie von der Seite an. »Sie ist wohl eine gute Herrin?«, fragte sie.
    Das Mädchen antwortete beinahe entrüstet. »Natürlich ist sie das!«
    Nachdem ihre Eltern gestorben waren, habe die Herrin sie aufgenommen und behandele sie gut. Katrine ging voraus zu den Weiden, wo sich Schafe tummelten sowie Pferde und Ponys mit ihren Fohlen grasten. Was machte Asta wohl mit all den Pferden? Handelte sie mit ihnen?
    Henrike fröstelte. Dunkle Wolken waren vom Landesinneren herangezogen und hatten sich vor die Sonne geschoben. War heute der letzte schöne Tag vor dem langen Winter gewesen? Würde sie diesen wirklich hier verbringen müssen? In einem Bauernhaus, ohne die Ablenkungen, die das Stadtleben bot? Ohne Simon, ihren Hausstand? Sie würde sich eingesperrt und abgeschoben vorkommen, das wusste sie schon jetzt. Aber andererseits war sie weit genug von Nikolas entfernt, um sich sicher zu fühlen.
    Ein Pferd hatte das Haupt erhoben und schnaubte, die Ohren neugierig vorgereckt. Henrike zwängte sich zwischen zwei Zaunlatten hindurch. Eine Hand vorgestreckt, ging sie langsam auf das Pferd zu. Es war wohl so groß wie sie selbst, hatte lebhafte Augen und mittelbraunes Fell. Als es seine weiche Nase auf ihre Handfläche legte und seinen heißen Atmen hineinpustete, griff

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