Hansetochter
springen zu lassen.
Ja, Vieles an Asta war merkwürdig, dachte sie. Henrike hatte noch nie gehört, dass eine Frau einen Hof allein führte. War es denn tatsächlich so? Beiläufig fragte sie: »Gibt es denn keinen Herrn? Jemanden, der den Hof mitleitet?«
Katrine warf, ihr Stein sprang viermal auf dem Wasser auf, bevor er versank. »Die Herrin braucht keinen Mann, um den Hof zu führen. Und dem Besitzer des Hofes gefällt es so.«
»Und wer ist der Besitzer?«
Das Mädchen sah Henrike erstaunt an, offenbar darüber verwundert, dass sie so wenig wusste.
»Na, irgend so ein reicher Kaufmann aus Lübeck. Und jetzt verzeiht, Jungfer Henrike, aber wir sollten zurück.«
Sie ließ die restlichen Steine aus ihrer Hand in die Brandung rieseln. Henrike warf noch einmal, aber ihr Stein versank wieder. Vielleicht, weil sie mit ihren Gedanken schon ganz woanders war. Schweigend ritten sie zurück. Der Wind hatte die Wolkendecke endgültig zusammengeschoben, kalt fuhr er um Hände und Kopf.
Henrikes Gedanken überschlugen sich. Ein Kaufmann aus Lübeck? Jetzt, da sie wusste, dass Asta ihre Tante war – könnte es etwa möglich sein, dass das Gut ihrer Familie gehörte? Dass ihr Vater der Besitzer gewesen war? Und war dann jetzt, nach VatersTod, etwa Hartwig dafür verantwortlich? Das konnte für Asta nichts Gutes bedeuten. Wäre sie doch nur bei der Testamentsverlesung dabei gewesen, dann hätte sie besser Bescheid gewusst!
Asta saß auf einer Bank vor dem Stall und bürstete einem Wolfshund das Fell. Neben ihr fettete ihr Knecht Sasse das Zaumzeug ein. Merkwürdig, dachte Henrike, sie wirkt gar nicht mehr so streng auf mich. Alle scheinen sie zu mögen, und der Umgang mit ihrem Knecht sieht so vertraut aus.
Ihre Tante erhob sich. Wortlos reichte sie Henrike einen Dolch, den sie an ihren Gürtel binden sollte, und drückte ihr und Katrine Pfeile und Bögen in die Hände. Das Mädchen maulte.
Auf den Wink seiner Herrin brachte ihr Knecht ein Bündel Stroh auf die nächstgelegene Weide. Anschließend nahm Sasse die Pferde und rieb sie trocken. Asta half Henrike, den Pfeil an den Bogen zu legen. Gemeinsam spannten sie die Sehne, der Pfeil schnellte über Henrikes Handrücken in ein Gebüsch neben der Pferdekoppel. Katrine kannte die Handgriffe schon, schoss aber schlecht.
»Hol ihn zurück und übe weiter. Wenn du genügend Kraft für einen Ausritt hattest, dürfte dir das ja leicht fallen«, sagte Asta zu Henrike.
Sie lief los, um den Pfeil zu suchen, entschlossen, sich ihre Müdigkeit nicht anmerken zu lassen. Immer wieder spannte sie den Bogen, bis die Muskeln an ihrer Schulter brannten und ihr Handrücken wund war. Katrine hatte längst aufgegeben. Am Abend war Henrike so erschöpft, dass ihr schon beim Nachtmahl die Augen zufielen.
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Die nächsten Tage verliefen ähnlich, auch wenn sich jetzt stetig das Wetter verschlechterte und immer mehr Arbeiten in die Ställe und Scheunen verlagert werden mussten. Nachts war esmanchmal so kalt, dass das Wasser in der Waschschale gefror. Henrike blieb kaum Zeit zum Grübeln. Es gelang ihr aber auch nicht, mit Asta ins Gespräch zu kommen. Zwar wurde sie von Asta überall mit hin genommen, ihre Unterhaltungen drehten sich aber stets nur um den Hof, seine Menschen und Tiere und die Waren, die hier hergestellt wurden. Henrike lernte die Hufe der Ponys zu untersuchen, erfuhr, mit welchen Kräutern entzündete Augen oder Wunden im Fell der Tiere versorgt werden konnten. Asta zeigte ihr die Tuche, erklärte ihr die Webstühle und wies sie auf Fehler hin, die beim Weben entstanden waren. Eine Fülle von Lebensmitteln wurde auf dem Hof eingelagert oder eingemacht, auch Körbe wurden geflochten. Ein Teil der Waren wurde nach Lübeck verschickt, ein anderer verkauft oder eingetauscht. Henrike nahm all die Informationen wissbegierig auf. Auch ihre Übungsstunden gingen weiter. Während Henrike im Wagenlenken langsam besser wurde, ging der Pfeil beim Bogenschießen jedoch noch oft daneben.
Auch jetzt übte sie wieder eisern mit Pfeil und Bogen, obwohl sich vor wenigen Augenblicken der Niesel in einen Eisregen verwandelt hatte. Sogar Griseus hatte sich in den Schutz des Stalldaches zurückgezogen. Der Hund war ihr ständiger Begleiter geworden, dafür kämmte sie ihm abends das üppige Fell. Nur noch einige Schüsse, nahm Henrike sich vor und wischte sich die eisigen Tropfen von den Augenbrauen. Sie legte den Pfeil an, spannte den Bogen und zielte. Da stellten sich plötzlich ihre
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