Hansetochter
gekocht. In der Nähe des Fensters hockten Lehrjungen, die die Bernsteinperlen zu Rosenkränzen auffädelten. Ein Mann begrüßte Adrian. Er war der Meister hier und zugleich der Ältermann der Paternostermacher-Zunft. Sie setzten sich an einen Tisch an der Längsseite des Raumes, hinter dem die Fässer mit Rohbernstein standen.
»Habt Ihr über meinen Vorschlag nachgedacht?«, fragte Adrian. Ein Paternostermacher kam, der Meister holte für ihn einen Sack aus dem Fass und wog die Bernsteine ab. Dabei legte er immer wieder Steine beiseite, mit denen er nicht zufrieden war. Oft gab es Streitigkeiten zwischen dem Deutschen Orden, dem einzigen Bernsteinlieferanten, und den Paternostermachern in Lübeck und Brügge, die als Einzige den Stein verarbeiten durften. Das wusste Adrian von der Brügger Paternostermacher-Zunft, mit der er oft Handel getrieben hatte. Zumeist drehten sich diese Auseinandersetzungen um den Preis und die Sortierung des Bernsteins. Die wertvollste Spielart war der Pfennigstein, dann folgten der Salzstein und die beiden billigen Sorten Sluck und Vernis. Auch gab es öfter Streit, weil die Bernsteinzünfte die Lieferung nicht bezahlen konnten, und eben darauf zielte der Vorschlag, den Adrian unterbreitet hatte. Der Ältermann drehte nachdenklich einen aussortierten Bernstein zwischen den Fingern.
»Welchen Vorteil bringt es uns, wenn wir Euch die gesamteProduktion an Rosenkränzen eines oder zweier Jahre zusagen?«, fragte er ganz so, als ob sie noch nie darüber gesprochen hätten.
»Ihr habt einen festen Abnehmer und bekommt Euer Geld sicher, egal, wie die Geschäfte laufen«, wiederholte Adrian.
Ein misstrauischer Blick. »Gut und schön. Aber was habt Ihr davon?«
»Ich habe genügend Paternoster, um meine Kunden zu befriedigen. Oft genug übersteigt die Nachfrage bei Weitem das Angebot.«
Es kam häufiger vor, dass ein Kaufmann die Nachfrage an Waren nicht befriedigen konnte. Manche Händler versuchten dann, auf andere Güter auszuweichen, beispielsweise Rosenkränze aus Korallen statt solcher aus Bernstein zu liefern. Doch damit waren viele Kunden nicht zufrieden. Ihren Wünschen tatsächlich nachkommen zu können, würde für den Aufbau dauerhafter Geschäftsverbindungen von großem Vorteil sein und Sicherheit auf allen Seiten bieten. Das war es, was Adrian wollte. Überdies konnte man natürlich selbst die Preise bestimmen, wenn man über den Großteil einer Ware verfügte, ebenfalls ein nicht unerheblicher Vorteil.
Der Ältermann neigte den Kopf. »Ich will ehrlich sein. Ich habe mit einigen Meistern gesprochen. Sie sind misstrauisch. Ihr seid fremd hier. Konrad Vresdorp hat Euch empfohlen, aber kann man Euch wirklich trauen? Bernstein ist keine Ware wie jede andere. Bernstein kann Krankheiten heilen, von bösem Zauber befreien. Aber er kann auch Leben kosten. Bernsteinfischer müssen jeden Stein abgeben, und sei er noch so klein. Wer an der Küste des Samlandes das Bernsteinsammeln heimlich betreibt, dem droht der Galgen, das habe ich selbst erlebt.«
Adrian sah ihn interessiert an. »Ihr wart schon dort?«
»Immer wieder müssen wir Älterleute beim Orden antreten, um zu verhandeln. Sie haben uns in der Hand, ebenso wie die Bewohner der Küste. Selbst ein Einheimischer darf den Stranddort nur bei Tag betreten, ein Fremder überhaupt nicht. Im gesamten Deutschordensstaat darf niemand Rohbernstein besitzen. Auch dürfen sich dort keine Bernsteinarbeiter ansiedeln. Das hat seinen Grund. Dem Orden bringt der Bernstein einen Großteil seiner Einnahmen. Wir wollen den Orden nicht verärgern – und auch unsere Partner hier in Lübeck nicht, die anderen Kaufleute.«
Ein Junge brachte eine Schale voller fertiger Rosenkränze. Adrian nahm einen auf, ließ die Kugeln wie im Gebet durch die Finger gleiten. Er war perfekt. Die Perlen waren weich geschliffen. Das Licht brach sich sanft in ihnen. Es war ein Handelsgut, das bis in die Mittelmeerländer und den Orient begehrt war. Vorsichtig legte er ihn zurück.
»Es gibt etliche, die uns bislang den Bernstein abgekauft haben. Langjährige und gute Partner, auch wenn sie nicht immer gleich gezahlt haben. Es wäre besser, wenn Ihr Euch mit ihnen zusammenschließen würdet. Und noch einmal mit Hermann Warendorp sprecht, bei so einer Entscheidung sollte der Orden einverstanden sein.« Adrian erhob sich und sagte es zu.
Angespannt trat er kurz darauf auf die Braunstraße hinaus. Er hatte bereits einmal mit Warendorp gesprochen, aber auch dieser
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