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Happy birthday, Türke!

Happy birthday, Türke!

Titel: Happy birthday, Türke! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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sie mir sowieso nicht erzählen, und was sie wollten, konnte ich noch früh genug erfahren. Also blieb ich stumm.
    Mein Bewacher ließ mich keinen Augenblick aus den Augen, sonst hätte ich alles auf eine Karte gesetzt. Nachdem Tür und Fenster verschlossen waren, kam der andere auf mich zu und durchsuchte meine Hose und Jacke nach Schußwaffen. Die Parabellum lag im Auto. Hier hätte sie mir ohnehin nichts genützt.
    »Wir haben dich gewarnt!«
    Durch die Gasmaske klang die Stimme blechern.
    »Wir haben dir gesagt, du sollst dich raushalten!«
    »Wer ist ›wir‹?«
    Ich hatte meine Stimme wieder gefunden.
    »Denk mal nach!«
    Er ließ die Gaskanone um meinen Kopf kreisen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber wahrscheinlich grinste er dabei. Plötzlich riß er das Rohr in die Luft und drückte ab.
    Es krachte, und ein Haufen Funken sprühten durchs Zimmer. Die Gasgranate platzte, und dichte Rauchschwaden machten sich breit. Der ätzende Dampf drang bis in die letzte Ecke. Ich hielt mir das Hemd vor die Nase, kniff die Augen zusammen, es nützte nichts. Das Tränengas war für mein kleines Büro zu stark dosiert, nur eine Gasmaske hätte schützen können.
    Die Suppe floß aus Augen, Mund, Nase, und es wurde immer schlimmer. Ich schmiß mich auf den Boden, hämmerte die Fäuste aufs Linoleum, zerriß mein Hemd und drückte es mir aufs Gesicht. Es nützte nichts. Ich versuchte mich aufzurichten, stürzte sofort wieder hin, versuchte es noch einmal und krachte mit dem Ellbogen auf die Stuhllehne. Es tat weh, war aber lange nicht so schlimm, wie das verfluchte Gas in meinem Kopf. Ich schlug meinen Schädel gegen die Schreibtischwand, der brennende Dampf ging nicht weg. Ich schrie, brüllte, schlug um mich. Ich sah nichts mehr, spürte nur noch die verätzten Augen. Dann begannen sie, mich mit ihren Fallschirmspringerstiefeln zu treten. In den Bauch, ins Gesicht, überall hin. Verschwommen sah ich sie wie riesige Schatten über mir. Ich mußte kotzen.
    »Laß deine Finger von Ahmed Hamul, ein für allemal! Verstehst du?! Wir machen dich sonst alle, Kanake!«
    Sie hörten nicht auf, mir ihre Stiefel in den Körper zu hacken. Das Gas legte sich auf die aufgeplatzten Wunden. Ich versuchte den brennenden Schleim mit den Fingernägeln abzukratzen. Nichts half. Jetzt traten sie mir in den Rücken, in die Nieren. Ich spürte es kaum noch.
    »Wenn du das überlebst, haust du ab! Klar?«
    Ich zwang mich, die Hände um die Beine zu krampfen, aus Angst, ich könnte mir die Augen auskratzen. Irgendwann mußten sie aufgehört haben. Sie sind weg, dachte ich und kroch um den Schreibtisch herum, rutschte immer wieder weg und blieb liegen. Doch dann hatte ich es geschafft.
    Sie waren noch da. Sie schrien mir etwas zu. Ich verstand es nicht. Sie standen an der Tür. Der eine schwang die Kanone. Direkt neben mir krachte es entsetzlich. Mit letzter Kraft schmiß ich mich in Richtung Tür, um die Granate nicht genau vor dem Kopf zu haben. Die zweite Gasladung haut dich total um, dachte ich, wußte aber gleichzeitig, sie waren gegangen. Ich griff um mich, riß und stieß, sah nichts, doch dann hatte ich die Tür gefunden. Ich hängte mein ganzes Gewicht an die Klinke. Sie hatten sie abgeschlossen.
    Ich merkte, wie mir die Luft weg blieb. In diesem Raum gab es nichts mehr zu atmen. Meine Lungen zogen sich zusammen. Noch einmal bäumte ich mich auf, schleppte mich zum Fenster und stieß den Kopf durch die Scheibe. Trotz Rolladen, es gab Sauerstoff.
    Es dauerte eine Weile, dann konnte ich den Rolladen hochziehen. Immer noch halb blind, tastete ich nach dem Ersatzschlüssel und schloß die Tür auf.
    Ich rief einen Arzt an, gab ihm die Adresse vom Büro und wurde ohnmächtig.
    »Langsam, Herr Kayankaya, ganz langsam, Sie dürfen sich nicht anstrengen.«
    Vorsichtig richtete ich mich in einem weißen Bett auf.
    »Wo bin ich hier?«
    »In meiner Praxis, und da bleiben Sie vorerst auch.« Zwei alte, warme Augen schauten mich aus einer Brille mit Goldgestell an.
    »Kann ich nicht.«
    Ich hievte meine Beine über die Bettkante und stellte die Füße auf den Boden.
    »Versuchen Sie nur aufzustehen, wenn Sie unbedingt wollen. Sie werden schon sehen, was passiert.«
    Ich versuchte es und knallte auf den Kachelboden.
    »Jetzt soll ich Ihnen helfen. Nicht wahr?«
    »Nee.«
    Langsam zog ich mich am Bettgeländer hoch. Ich hatte das Gefühl, als habe man mir das Rückgrat genommen. Trotzdem schaffte ich es zum Waschbecken.
    »O Gott!«
    »Tja, ich

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