Happy End auf Sizilianisch
nahm ihre Hand und führte Angie zum Brunnen, wo es trotz der Hitze angenehm kühl war. Lange standen sie schweigend nebeneinander und betrachteten ihre Spiegelbilder im Wasser.
Eine kaum merkliche Veränderung in Bernardos Gesicht ließ Angie den Atem stocken. Er wirkte unsicher wie ein kleiner Junge, und doch wusste sie, dass er sie im nächsten Moment küssen würde.
Angie reagierte nicht weniger unsicher. Sie war es gewohnt, sich in jeder Lebenslage unter Kontrolle zu haben. Davon konnte jedoch keine Rede mehr sein. Die Situation war ihr völlig entglitten – erst recht ihre Gefühle. Je größer die Gewissheit wurde, dass Bernardo sie endlich küsste, desto furchterregender begann ihr Herz zu rasen.
Das Klingeln des Handys traf sie wie ein Schock. Auch Bernardo schien Mühe zu haben, in die Wirklichkeit zurückzufinden, denn es dauerte eine ganze Weile, bis er sein Telefon gefunden hatte. “Ja?”, meldete er sich.
Angie sah zu ihrem Schrecken, dass sich sein Gesichtsausdruck schlagartig veränderte. “Wir kommen sofort”, sagte er aufgeregt und beendete das Gespräch. “Das war Renato”, erklärte er Angie. “Heather hatte einen Unfall. Du sollst sofort zu ihr kommen.”
Augenblicklich machten sie sich auf den Rückweg, und Bernardo schilderte Angie in knappen Worten den Unfallhergang. “Renato hat von seiner Jacht aus angerufen. Bei einem Ausflug an den Strand ist Heather vom Beiboot gefallen, ohne dass er es gemerkt hatte. Als es ihm auffiel, war es fast zu spät. Wie gut, dass kein Seegang herrschte, sonst … Zum Glück ist alles noch einmal gut gegangen, denn im letzten Moment konnte Renato Heather retten.”
Als sie den Hafen von Mondello erreichten, legte gerade die
Santa Maria
an. Angie sprang aus dem Auto und ließ sich von Renato an Bord helfen.
Heather lag in der Eignerkabine und schlief. Zu Angies großer Erleichterung schien sie noch einmal mit dem Schrecken davongekommen zu sein. Zärtlich strich sie ihr über die Stirn, um sie behutsam zu wecken.
Als Heather ihre Freundin sah, konnte sie sogar schon wieder lächeln.
“Was machst du bloß für Sachen?”, schalt Angie sie liebevoll. “Renato hat Bernardo über sein Handy angerufen und ihm gesagt, dass er mich sofort in den Hafen bringen soll”, erklärte sie den Grund für ihre überraschende Anwesenheit. “Dass du mit unserem Ausflug nicht einverstanden warst, wusste ich ja. Aber musst du gleich zu solch drastischen Maßnahmen greifen?”
“Hoffentlich bist du trotzdem auf deine Kosten gekommen”, erwiderte Heather matt.
Angies Lächeln verriet nicht mehr, als dass sie die Stunden mit Bernardo zumindest nicht bereute. “Du bist die Erste, der ich es erzählen würde.” Ihre Antwort war nicht weniger mehrdeutig. “Jetzt zieh dich an, damit ich dich zum Auto bringen kann.”
3. KAPITEL
B ernardo hatte spontan beschlossen, erst am nächsten Tag zurück nach Montedoro zu fahren. Weil Angie jedoch die meiste Zeit bei ihrer Freundin verbrachte, hatten sie kaum Gelegenheit, sich zu sehen.
Zu allem Überfluss schienen sie mitten in eine Familienkrise geraten zu sein. “Renato wollte Lorenzo in Stockholm anrufen”, erklärte Bernardo ihr den Grund der Aufregung, von der alle im Haus ergriffen waren. “Doch der hatte sein Hotel bereits verlassen.”
“Ich denke, er wollte erst morgen wiederkommen?”
“Das hatte er auch vor. Doch er hat Stockholm mit unbekanntem Ziel verlassen.”
“Ich kann nur hoffen, dass er weiß, was sich gehört”, sagte Angie mit allem Nachdruck.
“Was meinst du damit?”
“Nicht dass der Herr meint, sich vor der Hochzeit noch einmal richtig austoben zu müssen”, erklärte Angie einigermaßen unverblümt.
“Wie kommst du dazu, so etwas zu behaupten?”, fragte Bernardo empört. “Du kennst ihn doch gar nicht!”
“Du aber”, erwiderte Angie kühl. “Als sein Bruder müsstest du doch wissen, ob ihm das zuzutrauen ist oder nicht.”
Bernardo strich sich verlegen durchs Haar. “Entschuldige bitte, dass ich etwas lauter geworden bin”, antwortete er schließlich ausweichend und nahm Angie in die Arme.
Doch bevor es zum ersten Kuss kam, den Angie so sehr herbeisehnte, hörten sie Schritte auf dem Flur, die sich rasch näherten. Kaum hatten sie sich voneinander gelöst, stand Renato neben ihnen. Er wirkte sehr verärgert.
“Das Rätsel ist gelöst”, teilte er ihnen mit. “Lorenzo hat eben vom Flugplatz in Palermo aus angerufen. Er ist in einer guten halben Stunde
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