Happy End auf Sizilianisch
Haus verbringen, um das orkanartige Windböen tobten, anstatt sich vergnügliche Stunden im milden Klima der Küste zu machen, die Gastfreundschaft Baptistas zu genießen und dabei auch noch in Bernardos Nähe sein zu können.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, herrschte gespenstische Stille. Der Sturm schien sich gelegt zu haben, und gespannt ging Angie ans Fenster.
Der Anblick, der sich ihr bot, war ebenso faszinierend wie trostlos. Das Tal vor ihr war tief verschneit – jedenfalls soweit Angie es überblicken konnte. Denn die Berge waren in dichten Nebel gehüllt, und Montedoro schien über den Wolken zu schweben.
Bis ins Detail entsprach es der Stimmung, die Bernardo ihr beschrieben hatte, um ihr klarzumachen, dass sie dem Leben hier oben nicht gewachsen war – mit ihm nicht und schon gar nicht ohne ihn.
Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft wurde Angie von Zweifeln geplagt, glaubte plötzlich die Motive für Bernardos Unnahbarkeit zu verstehen. Offensichtlich hatte er geahnt, dass die ehrgeizige junge Frau aus gutem Hause bald an ihre Grenzen stoßen würde.
Um sich auf andere Gedanken zu bringen, zog Angie sich an und ging in die Küche, wo sie frühstückte. Anschließend ging sie routinemäßig in die Praxis, doch wie vermutet war das Wartezimmer leer, und ein Blick auf die Straße verriet ihr, dass sich daran auch nichts ändern würde.
Weil Ginetta freihatte, beschloss Angie, die Zeit zu nutzen und medizinische Fachblätter zu lesen, wozu sie in den letzten Tagen nicht gekommen war. Doch weil sie sich nicht konzentrieren konnte, gab sie es schon bald wieder auf und legte die Hefte beiseite.
Die Stunden zogen sich endlos lange hin, und die Stille im Haus und auf der Straße, wo nicht ein Fußstapfen im Schnee zu sehen war, wurde zunehmend bedrückender.
Als endlich die Dämmerung hereinbrach und der Tag ein Ende zu nehmen versprach, ging Angie durchs Haus, um die Vorhänge zuzuziehen. Die Fenster der Nachbarhäuser waren hell erleuchtet, und Angie ertappte sich dabei, dass sie geradezu Wut auf die Menschen empfand, derentwegen sie im Ort geblieben war und die es nicht einmal für nötig hielten, sich auch nur die kleinste Verletzung zuzuziehen.
Im Schlafzimmer angekommen, öffnete sie das Fenster, um einen Blick ins Tal zu werfen, bevor es in völliger Dunkelheit versank.
Im ersten Moment wusste sie nicht zu sagen, ob sie es sich nur einbildete oder ob sie wirklich eine Gestalt sah, die sich aus dem dichten Nebel löste. Doch schon bald war sie sich sicher, dass dort draußen ein Fußgänger die steile verschneite Straße nach Montedoro erklomm.
Wie kann man nur so leichtsinnig sein?, dachte Angie unwillkürlich und versuchte, den nächtlichen Wanderer nicht aus den Augen zu verlieren, der nicht einmal eine Taschenlampe bei sich zu haben schien.
Zu ihrem Entsetzten erfüllte es sie geradezu mit Erleichterung, dass doch noch jemand ihre Hilfe benötigte. Kurz entschlossen schlüpfte sie in ihre Stiefel und zog die dicke Winterjacke an. Nachdem sie ihre Taschenlampe aus der Kommode genommen hatte, trat sie hinaus auf die Straße.
Um nicht bei jedem Schritt auszurutschen, hielt sie sich nah an den Mauern der Häuser. Trotzdem dauerte es erschreckend lange, bis sie das Stadttor erreicht hatte und die Taschenlampe einschaltete, um die abschüssige Straße abzuleuchten.
Weil niemand zu sehen war, wagte sie sich vorsichtig weiter und rief laut in die Dunkelheit, ohne dass ihre Rufe erwidert wurden. Immer weiter entfernte sie sich vom Stadttor, ohne dass ein Lebenszeichen auszumachen war.
Schon befürchtete sie, dass der arme Mensch vor Erschöpfung zusammengebrochen war, als der Lichtkegel ihrer Taschenlampe auf eine Gestalt fiel, die zusammengekauert am Straßenrand saß.
“Bernardo!”, rief sie entsetzt, als er den Kopf hob.
“Wo kommst du denn her?”, fragte er nicht weniger erstaunt.
“Ich habe dich zufällig von meinem Schlafzimmerfenster aus gesehen”, erklärte sie ihm atemlos. “Was denkst du dir eigentlich, bei diesem Unwetter hier draußen herumzulaufen? Wo ist dein Auto?”
“Das steht weiter unten am Berg”, erwiderte er, und es war ihm deutlich anzumerken, wie schwer ihm das Sprechen fiel. “Ich bin in eine Schneewehe geraten.”
“Bist du verletzt?”
“Mein Knöchel ist ziemlich geschwollen.”
“Du musst sofort ins Warme”, ordnete Angie an und half Bernardo aufzustehen. “Leg den Arm um meine Schultern.”
“Ich komme schon allein …”
“Keine
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