Happy End für Anfänger: Roman (German Edition)
Kannst du mich ins Portland Hospital bringen? Würde dir das etwas ausmachen?« Jenny war so höflich, selbst mit einem Baby im Geburtskanal.
Mithilfe des erschrockenen Kellners half ich ihr die Stufen hinunter zur Straße, wo wir ein Taxi anhielten. »Ins Portland Hospital«, sagte ich, »bitte so schnell wie möglich.« Ich fühlte mich wie eine schlechte Komparsin in einem schlechten Film.
Gerade als wir losfuhren, schnappte sich Jenny meinen Arm und brüllte mir ins Ohr: » SCHEISSE !« Dann: » VERDAMMTE SCHEISSE !«
Ich versuchte, nicht zu lachen. Das war so untypisch für sie.
Sie verstummte und schnaufte mir ins Ohr: »Oh mein Gott, das war noch eine.«
Jetzt war mir alles andere als lustig zumute, und ich spürte, wie ich panisch wurde. »Du musst dir keine Sorgen machen, Jenny«, versicherte ich ihr wenig überzeugend. »Die Wehen setzen Stunden ein, bevor das Baby auf die Welt kommt, nicht wahr?«
Jenny hatte die Augen geschlossen und murmelte: »Ich denke, es kommt bald, Fran. Bei Molly hat es auch nicht lange gedauert, und sie haben mir gesagt, ich soll kommen, sobald … VERDAMMTE SCHEISSE !« Sie presste ihren Rücken gegen die Lehne, das Gesicht schmerzverzogen.
Der Fahrer blickte mit zutiefst besorgtem Blick in den Rückspiegel. »St. Thomas’«, sagte ich zu ihm. »Das ist nur drei Minuten weg, wir haben nicht die Zeit, quer durch die Stadt zu kriechen.« Sie protestierte. »Ich bin keine Hebamme, Jenny, ich kann dieses Baby nicht entbinden. Komm schon, versuch, ruhig zu bleiben.« Ich schrie auf, als sie mir ein Büschel Haare ausriss und wieder anfing zu brüllen. War das schrecklich! Was um alles auf der Welt war aus den netten, ruhigen Kreißsälen mit den Gebärbadewannen geworden, in denen die Frauen Lieder sangen und zwischen den Wehen Yoga machten oder bastelten?
Der Fahrer trat das Gaspedal durch.
Als ich Jenny hinterherblickte, die im Rollstuhl aus meinem Blickfeld geschoben wurde und das, was sie mir über Michael hatte sagen wollen, mit sich nahm, verfluchte ich mich innerlich dafür, dass ich so wütend war. Was zum Teufel hatte sie mir vorenthalten? Ich schwankte über den Flur, fühlte mich immer noch grottenelend von den zweieinhalb Wochen, die ich dauerstoned gewesen war.
Jenny hatte mir ihr Handy gegeben und mich gebeten, Dmitri anzurufen. Das tat ich. Er versprach, binnen der nächsten halben Stunde hier zu sein. Und dann, gerade als ich eine Krankenschwester bitten wollte, ihr das Telefon zurückzugeben, hielt ich inne. Nein. Tu’s nicht.
In aller Seelenruhe, als wäre es absolut normal, dem Exfreund über das Handy seiner Schwester nachzustellen, öffnete ich ihren Nachrichteneingang. Die erste SMS war von Dmitri, die zweite von mir, die dritte von Michael. Mein Finger schwebte über der »Mitteilungen öffnen«-Taste. Jahrelang hatte ich meine Freundinnen dafür getadelt, dass sie sich heimlich die Handys ihrer Lover vornahmen, und jetzt, neben den Aufzügen im sechsten Stock des St. Thomas’ Hospital, tat ich dasselbe. Nichts könnte mich davon abhalten zu lesen, was er zu sagen hatte, egal, wie sehr es mich verletzen würde. Schließlich war ich momentan eine Crack-Hure.
Das Blut rauschte laut in meinen Ohren, als ich auf »Mitteilungen öffnen« drückte: Bin bei Nellie. Haben ein paar süße neue Strampler für dich gekauft. Hoffe, es geht dir gut. Wir reden später. Kuss.
Langsam sackte ich auf eine Bank und sah einer Frau auf einer Trage nach, die von einem Pfleger vorübergeschoben wurde. Inzwischen regnete es draußen. Ich stand auf und ging zum Fenster hinüber. Londons berühmtes Riesenrad, das London Eye, drehte sich gemächlich, unbeeindruckt vom schlechten Wetter, unbeeindruckt von dem, was ich durchmachte.
Michaels Name leuchtete noch immer auf dem Display. Untendrunter stand »Anrufen?«. Ich zuckte die Achseln. Warum zum Teufel nicht? Schlimmer konnte es kaum werden.
Er ging sofort dran. »Jenny! Ich dachte, du wärst bereits im Kreißsaal! Ich bringe nur schnell Nellie nach Hause und komme dann direkt zu dir … Wie läuft’s denn so? … Jen? Jenny? Hallo …?«
Möwen kreisten über meinem Kopf, als ich am Themse-Ufer entlangspazierte, an den Secondhand-Bücherständen unter der Waterloo Bridge vorbei, unter die sich die Touristen vor dem Regen geflüchtet hatten und wo sie sich bei einem Becher Coffee to go unterhielten. Der Regen strömte mir über Gesicht und Nacken und lief in meine Klamotten, kleine scharfe Kältepfeile auf Brust und
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