Happy Family
Dilemma auseinandersetzen würde. Und es stellte sich mir noch eine weitere Frage: Warum hatte mich Dracula überhaupt gerettet?
«Verehrteste Emma, würdest du mir die große Freude bereiten, mit mir gemeinsam zu speisen?»
Darum? Weil er mit mir essen gehen wollte?
«Es würde mir wahrlich eine unermessliche Freude bereiten», erklärte der bleiche, attraktive Mann. Und so, wie er mit seinem sinnlichen Mund lächelte und wie seine faszinierenden, scharlachroten Augen funkelten, konnte ich ihm sogar glauben, dass es ihm wirklich eine große Freude bereiten würde.
Unfassbar, der letzte Mann, der sich darauf freute, mit mir essen zu gehen, war Frank gewesen. Vor Äonen. In den letzten Jahren hingegen hatte er beim gemeinsamen Abendessen oft Schwierigkeiten gehabt, nicht vor Müdigkeit mit dem Kopf auf die Tischplatte zu knallen.
«Mama …», winselte Max unter seinem Tisch, «du … willst doch nicht mit Dra… Dra… Dra…», er traute sich einfach nicht, den Namen auszusprechen, «du willst doch nicht mit ihm … ESSEN gehen?»
So wie er das Wort «Essen» aussprach, fiel mir auf: Heidewitzka! Wenn Dracula einen anderen Vampir zum Essen einlud, meinte er damit wohl kaum Spaghetti bolognese.
Dracula sah zu Max. Er wunderte sich kein bisschen, einen sprechenden Werwolf zu sehen. Mich wunderte es auch nicht, dass es ihn nicht wunderte, schließlich gehörten solche Geschöpfe wohl zur Fauna seiner Welt. Er lächelte Max zu. Freundlich. Aber unter diesem netten Lächeln lag ganz eindeutig etwas Bedrohliches. Max verzog sich noch weiter unter den Tisch.
«Magst du mich nun begleiten, Emma?», fragte Dracula erneut und blickte mich jetzt richtig fasziniert an. Es war schön, mal von einem Mann … Vampir … egal von wem … so angesehen zu werden. In diesem Moment fiel mir wieder ein, was die Hexe gesagt hatte: «Du wirst dem Fürsten der Verdammten gut gefallen.»
«Hast du meine Worte vernommen, Emma?» Er lächelte mich nun innig an. Meine Güte, konnte der lächeln. Auf genau die richtige verführerisch gefährliche Art und Weise. Zusätzlich zu meiner Übelkeit, dem Blutverlangen und den Krämpfen gesellten sich – dank dieses Lächelns – nun auch noch Schmetterlinge in meinem Bauch. Das war mal eine Mixtur!
Am liebsten hätte ich mich in seine Arme geworfen, aber an so etwas durfte ich nicht mal denken. Ich war schließlich verheiratet. Hatte eine Familie. Und er war Dracula. Der Dracula! Ich konnte mir schon ausmalen, wie es war, mit ihm essen zu gehen: Wir würden ein paar Leute jagen und dann, wenn wir sie endlich in einer einsamen Gasse gestellt hätten, unsere Beißer in ihre Hälse schlagen …
Oh mein Gott! Was für ein verführerischer Gedanke!
Das war ein verführerischer Gedanke für mich?
Oh mein Gottogottogott!
Obwohl, hatte Gott überhaupt was mit Vampiren zu tun? Oder mit Hexen? Oder, und das brachte mich zurück auf die Zweifel, die ich schon vor all dem Zauber an Gott hatte, mit der Pubertät? Wenn ja, was hatte der Allmächtige sich bei alldem gedacht? Am achten Tage sollst du scherzen?
Egal, Gott half mir gerade ganz offensichtlich nicht weiter. Ich musste mich selbst in den Griff bekommen. Reiß dich zusammen, dachte ich daher. «Reiß, Reiß, Reiß!»
«Du begehrst Reis?», fragte Dracula irritiert.
Mist, ich hatte zu laut gedacht.
«Wir speisen keinen Reis», erläuterte er.
Das hatte ich schon befürchtet.
«Wir saugen jedoch auch kein Blut.»
«Nein?», fragte ich überrascht.
«Dem Alter bin ich entwachsen», erklärte Dracula höflich. «Blutsaugen ist eine ungemein anstrengende und unappetitliche Angelegenheit. Man hetzt das Opfer, und wenn man es endlich in seinen Fängen hat, beißt man in dessen Hals …»
Dummerweise klang das für mich ganz und gar nicht unappetitlich.
«Dann spritzt das Blut überall, und die ganze Kleidung ist von klebrigem Blut besudelt …»
Okay, das klang nicht ganz so schön. Als Vampir hatte man anscheinend überdurchschnittlich hohe Kosten für die chemische Reinigung.
«Und damit man nicht von dem ganzen Dorf gejagt wird, muss man die Leiche entsorgen, in irgendeinem Tümpel, Fluss oder Schweinestall …»
«Bitte nicht weiterreden», bat ich nun, «mir ist schon schlecht.»
«Dann begleite mich jetzt bitte, und du wirst dich gleich viel wohler fühlen», bot Dracula freundlich an.
Ich durfte doch nicht mit dem Fürsten der Verdammten gehen. Doch was konnte ich als Ausrede benutzen? Wohl kaum: Ich muss mir noch
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