Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
werde.
»Mensch, Dieter! Alles, nur nicht Stuttgart. Ich hab dir doch gesagt, ich will da auf keinen Fall hin.«
»Harald, so finden wir nie was. Lass es uns wenigstens mal angucken. Absagen können wir immer noch.«
Ich seufze tief.
Ich hatte noch nie viel mit Stuttgart zu tun gehabt, aber ich kannte die Haupteinkaufsmeile, die Königstraße – und die war weder optisch ansprechend, noch hatte sie irgendwelchen Charme. Aber ich wurde mürbe. Wir hatten uns ja nun schon überall ohne Ergebnis umgeschaut. Überall, außer in Stuttgart. Die Münchner Enttäuschung hatte mich desillusioniert, und ich wollte, dass jetzt endlich etwas passierte.
Es kam, wie es kommen musste: Wir fuhren nach Stuttgart. Selbst das Wetter schien sich an diesem Spätsommertag richtig Mühe zu geben, mich milde zu stimmen: Sonne, fünfundzwanzig Grad, eine laue Brise. Das Ecklokal lag in der Eberhardstraße in der Innenstadt, in der Nähe vom Renitenztheater und einigen Cafés und Restaurants. Für Laufkundschaft wäre gesorgt. Dazu war es perfekt geschnitten: zwei Räume mit zwei Eingängen von verschiedenen Straßen, lichtdurchflutet und mit Holzboden zum unschlagbaren Preis – ein bisschen wie der Traum in München. Es gab keinen Makler, sondern die Vermieter – ein älteres Ehepaar – waren selbst gekommen.
Die anderen Interessenten zogen schnell wieder ab, und plötzlich standen nur noch Dieter und ich da. Selbst als wir enthüllten, dass wir die Kaution möglicherweise nicht sofort würden zahlen können, weil wir uns gerade erst selbstständig gemacht hatten, meinten die beiden nur: »Ach, wissen Sie, das können Sie auch später machen, wie es Ihnen passt. Wir brauchen das Geld nicht sofort.« Auf einmal war alles besiegelt. Ich zuckte mit den Schultern.
Dann eben Stuttgart! Am 1. November konnten wir einziehen.
Jetzt hatten wir also einen Laden. Uns fehlte ohne unsere bisherigen Brotjobs allerdings das Geld hinten und vorne. Aber wir waren kreativ. Ich spendete einen meiner Kronleuchter für die Decke und besorgte einen alten Tisch und einen antiken Schrank mit wunderschönen Schnitzereien bei Tante Katharina. Der ehemals bis zum Bersten gefüllte Speicher wurde immer leerer, aber sie sagte nur: »Ich bin froh, wenn die alten Sachen zu neuen Ehren kommen. Dazu sind sie ja da.« Um die Ware an den Wänden unterzubringen, besorgten wir uns die günstigsten Regale in Naturholz und lackierten sie in schlichtem Weiß. Weil wir zunächst noch nicht so viel Ware im Angebot hatten, dass wir beide Räume damit füllen konnten, stellten wir Tante Katharinas Schrank als Raumteiler auf.
Eine Freundin von mir, die ich aus dem Kaufhaus kannte, war Dekorateurin und arbeitete mittlerweile auch in Stuttgart. Sandy dekorierte uns kostenlos das Schaufenster und unseren Geschäftsraum. Es sollte nach richtig viel aussehen, aber wenig kosten – unsere erste Schaufensterdekoration bestand darum unter anderem aus Mandarinenkisten mit leuchtend orangefarbenen Früchten darin. Die Mandarinen haben dann gleichzeitig noch für eine wunderbare Raumbeduftung gesorgt.
Aus einer Geschäftsauflösung bekamen wir eine Kasse, und über alte Job-Kontakte von Dieter und mir konnten wir unsereerste Ware auf Kommission bestellen – zunächst hauptsächlich Jeans, T-Shirts, Pullover und ein paar Hemden. Ich kannte aber zum Glück aus dem Kaufhaus in Mühlacker einen Vertreter, der direkt in Paris einkaufte und der uns neben den relativ schlichten »normalen« Sachen auch verrücktere Klamotten mitbrachte: Asymmetrische Schnitte, T-Shirts mit Pailletten. Prints und knallige Farbkombinationen. Alles, was man in Deutschland sonst nur sehr schwer fand.
Ich hätte gern noch mehr ungewöhnliche Sachen gehabt, aber ich war realistisch genug einzusehen, dass man zunächst einen Angebotsschwerpunkt brauchte. Etwas, das auf jeden Fall lief. Jeans und T-Shirts waren wie frische Brötchen: Die gingen immer. Alles andere konnte man später immer noch dazunehmen. Und wir waren, der Tatsache musste ich ins Auge sehen, nun mal nicht in München – sondern in Stuttgart.
Am Tag der Eröffnung gingen Dieter und ich mit Losen auf die Straße. Jedes Los gewann eine Kleinigkeit – eine Mandarine, ein Halstuch, ein T-Shirt oder ein Tütchen Lebkuchen. So hatten wir vom ersten Tag an Leute im Laden – und bekamen direkt mit, wie positiv die Menschen auf die Atmosphäre bei uns reagierten. Was war das eine Wohltat, selbst bestimmen zu können, welche Musik aus den
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