Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
auf dem Land üblich, wurde geheiratet. Dieter baute für sich und seine Familie den amerikanischen Traumbungalow, ganz wie in der Bausparkassen-Reklame. Das Kind war noch nicht aus den Windeln raus, da wurde die Freundin noch mal schwanger, und alles war genau so, wie Dieter das immer hatte haben wollen.
»Das war wirklich eine schöne Zeit«, sagte er zu mir und seufzte sentimental.
»Aber irgendwas war dann ja wohl doch nicht so toll«, wagte ich einzuwerfen.
Und natürlich gab es diesen kleinen, aber nun mal entscheidenden Schönheitsfehler: Dieter war mittlerweile klar geworden, dass er auf Männer stand. Doch sein Familienleben mit seinen zwei kleinen Töchtern war ihm heilig. Also hatte er die Quadratur des Kreises versucht und angefangen, ein Doppelleben zu führen. Es dauerte ein paar Jahre, dann passierte genau das, wovor er immer Angst gehabt hatte: Ein entfernter Bekannter hatte Dieters Frau gegenüber fallen lassen, dass ihr Mann ab und zu in Schwulenbars gesehen würde. Das war das Ende des trauten Familienlebens.
An dieser Stelle machte Dieter eine Pause und schaute schweigend in die Ferne. Ich unterdrückte den Impuls, zu ihm hinüberzugehen und ihn in den Arm zu nehmen. Immerhin kannten wir uns so gut wie gar nicht. Auch wenn es sich anders anfühlte.
»Mensch, Dieter, das konnte doch auch auf Dauer nicht gut gehen!«, sagte ich stattdessen und war froh, dass mir schon von meiner Kindheit an sonnenklar gewesen war, dass ich mich – im romantischen Sinne – nicht für Frauen interessiere. So eine Situation hätte mir gerade noch gefehlt.
Von nun an sah ich Dieter häufiger und Kurt seltener. Das heißt, eigentlich kam Dieter immer bei mir vorbei und blieb über Nacht – was bedeutete, dass er am nächsten Morgen die hundertachtzig Kilometer nach Frankfurt fahren musste und abends wieder zurück, denn er wollte nicht allein in seiner kleinen Wohnung in Mannheim bleiben. Eigentlich lebten wir schon wie ein Paar, als ich eines Tages sagte: »Mensch, jetzt zieh doch endlich richtig bei mir ein. Mit deinem Namen an der Klingel und allem Drum und Dran. Oder wir ziehen zusammen woandershin.« Doch Dieter schüttelte den Kopf. Er wollte nicht, zumindest nicht offiziell. Seine Scheidung lief, und er wollte den Kontakt zu seinen Kindern nicht gefährden. Das war seine offizielle Begründung.
Aber ich ahnte: Er brauchte auch einfach etwas länger, um zu kapieren, wo sein Herz hingehörte. Doch ich bin ja ein geduldiger Mensch, wenn es drauf ankommt.
Weil ich früher von der Arbeit nach Hause kam, kochte ich uns meistens etwas. An einem Abend legte ich ihm einen Briefumschlag auf seinen Teller mit einer kleinen Notiz darin: »Für den liebsten Menschen, den ich jemals kennengelernt habe.«
Nichts Besonderes, eigentlich. Nur eine kleine Aufmerksamkeit. Aber als Dieter den Brief öffnete, fing er an zu weinen. Dann kam er zu mir und nahm mich in den Arm. Ab diesem Abend war irgendetwas anders. Ab diesem Abend waren Dieter und ich ein richtiges Paar.
ALLES, ALLES – NUR NICHT STUTTGART
I ch stand vor diesem kleinen, zur Vermietung stehenden Schwabinger Ladenlokal und seufzte. Hinter der blitzenden Scheibe sah ich Fischgrät-Parkett, das in der Sonne glänzte. In der Mitte gab es eine kleine Treppe, die in den rückwärtigen Teil des Raumes führte. Die Decken waren hoch und strotzten nur so vor Stuck. Der Raum war wie geschaffen für pompöse Lüster! Selbst das Schaufenster war von einem kunstvoll gerankten Jugendstil-Rahmen eingefasst. Keine Frage, dieses Münchner Ladenlokal war ein Traum. Mein Traum. Zum Heulen schön. Nur leider war der kleine Zettel, der hinter der Scheibe klebte, auch zum Heulen: Das Geschäft kostete monatlich ungefähr das Vierfache dessen, was Dieter und ich uns als absolute Obergrenze gesetzt hatten. Dazu kam die Kaution: Die dreifache Monatsmiete hätten wir noch einmal obenauf hinblättern müssen. Ach, und eine Maklergebühr gab es auch.
»Komm, Harald«, sagte Dieter. »Das hat keinen Sinn, da müssen wir erst gar nicht anrufen. Wir verschwenden hier unsere Zeit. Der Preis ist völlig indiskutabel, das können wir uns nicht leisten. Vielleicht in ein paar Jahren, aber nicht jetzt. Und wir müssten ja auch noch irgendwo wohnen, was meinst du, was das hier in München kostet?« Als wir zurück zum Auto gingen, fühlte ich mich wie ein kleiner Junge, der von seinen Eltern vom Süßigkeitenregal weggezerrt wurde.
Überall hatten wir nach Ladenlokalen geschaut. In
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