Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
Aufmerksamkeit. Die Leute sollten mich kennenlernen. Meine Mode, meinen Namen und mein Label: Pompöös.
Erst wenn man sich auf diese Weise einen Namen gemacht hat, kann man später im größeren Stil Mode verkaufen – so läuft das im Fashion-Business nun mal. Damit ist eine Haute-Couture-Show einerseits Werbung und andererseits natürlich auch Barometer für Modetrends. Sie ist insofern aber etwas vollkommen anderes als eine Prêt-à-porter-Show. Bei Prêt-à-porter-Schauen werden Journalisten und Einkäufern später die alltagstauglichen Kollektionen gezeigt, die in die Läden kommen. Das bedeutet Prêt-à-porter ja auch: fertig zum Tragen.
Dieter und ich begannen bald damit, Mannequins zu casten. Wir wollten exotische Models engagieren, denn dunkelhäutige Schönheiten in Rokoko-Roben, das hatte es noch nie gegeben, war überaus exzentrisch – genau mein Ding. Das Ganze war gar nicht so einfach, denn Mitte der Neunziger waren dunkelhäutige Models nicht sehr gefragt. In Stuttgart brauchten wir uns erst gar nicht umzuschauen, aber auch international hatten die meisten Agenturen nur ein oder zwei dunkelhäutige Mädchen oder Jungs in ihrer Kartei. Man sah solche Models damals nur sehr selten in Katalogen, Modezeitschriften und auf dem Laufsteg, die Modewelt war unterschwellig rassistisch und bevorzugte weiße Fotomodelle. Gefeierte Ausnahmen waren nur Naomi Campbell und David Bowies Frau, das Übermodel Iman, die seit den Siebzigerjahren ein Superstar war. Nach einigem Überlegen entschloss ich mich dazu, Models aus den großen Modemetropolen zu buchen. Ich würde die Mannequins aus Paris, New York, Mailand und London einfliegen lassen – das war noch einmal ein enormer Kostenfaktor, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Ich brauchte unbedingt Modelle, die einige Erfahrung darin hatten, professionell Haute-Couture-Mode zupräsentieren. Die Art, konventionelle Mode zu präsentieren, ist von der Art, eine Haute-Couture-Show zu zelebrieren, völlig verschieden. Die Models sind exzentrischer, in jeder Hinsicht.
Pausenlos zerbrach ich mir den Kopf über alle Details der Show. Ich hatte so etwas ja noch nie gemacht, und wir mussten uns um alles selber kümmern. Ständig fiel mir etwas Neues ein. Ich besorgte mir im Kostüm-Fachhandel Perücken, wie man sie im Rokoko getragen hatte, und Schönheitsflecke zum Aufkleben. Ich fahndete nach Visagisten und Stylisten, die die Models nach meinen Vorstellungen zurechtmachen sollten. Ununterbrochen lief ich mit Notizblock und Stift herum, zeichnete Make-up-Vorlagen und machte Skizzen von Frisuren. Es kam auch schon mal vor, dass ich im Restaurant die Servietten benutzte, um meine Ideen festzuhalten.
Dann gab es noch die technische Seite: Wir brauchten eine professionelle Musik- und Lichtanlage, dazu engagierte ich Licht- und Tontechniker, die alles perfekt in Szene setzen sollten. Ganz nebenbei organisierte ich in einem Vorraum des Schlosses, der öffentlich zugänglich war, eine Fotosession mit mir im Barock-Mantel und einem der Models im Rokoko-Kleid: Wir brauchten Bilder für Einladungskarten und Plakate.
Ich wühlte mich durch Plattenläden, überlegte, welche Musik zu welchem Outfit passte, von klassischer Musik über Chansons bis zu glasklarem Pop. Dazu dachte ich mir schon erste Schrittfolgen für die Models aus, um der Choreographin später genaue Instruktionen geben zu können. Dafür probte ich oft mit Kundinnen, die zufällig gerade im Laden waren und fast immer begeistert mitmachten. Das waren magische Momente, denn hier sah ich mal wieder, dass jede Frau das Zeug zur Glamour Prinzessin hat – man muss sie nur lassen und den Glamour mit den richtigen Zutaten herauskitzeln. Das funktioniert mit der richtigen Kleidung, Schmuck, Musik und der gehörigen Portion Bewunderung. Jede Frau kann eine Prinzessin sein.
Ich sitze abends mit Dieter in der Brasserie Flo im Breuninger, einem unserer Lieblingslokale. Auf der Bühne spielt eine Band eigene Rocksongs. Die Sängerin hat eine ganz tolle Stimme – doch sie und ihre Musiker liefern eine Performance ab, die so aufregend ist wie eingeschlafene Füße. Bewegungslos, ohne Kontakt mit dem Publikum. Ich schaue mir das eine Weile an, dann sage ich: »Dieter, das ist das Problem heute in Deutschland: Die können alle super singen, aber keine Show machen.«
Ich denke an Marlene Dietrich: Sie sang nicht im herkömmlichen Sinn, aber ist so extravagant aufgetreten, dass der Applaus schon einsetzte, wenn sie auf die
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