Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
Dornröschen, an Schneewittchen und all die anderen betörend schönen Königstöchter aus den alten Märchen. An Wunder und an die wahre Liebe, die am Ende immer siegt. Man denkt an rauschende Roben und prunkvolle Feste – nichts passt besser zu meiner Mode. Meine Mode entführt in eine andere, bessere und schönere Welt.
Aus diesem Grund schickte ich an alle Adelshäuser persönliche Einladungen, durchweg handgeschrieben, mit Füllfederhalter auf feinstem Papier. Und tatsächlich, einige Tage, nachdem die Briefe rausgegangen waren, klingelte bei uns das Telefon. Seine königliche Hoheit, Michael Prinz von Preußen, der Enkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., war persönlich am Apparat. Er bedankte sich höflich für die Einladung. Gemeinsam mit seiner Frau, Brigitta Prinzessin von Preußen, wollte er sehr gerne zu unserem Ball kommen.
Am nächsten Morgen stand ich als Erstes wieder im Rathaus vor der Tür mit dem seltsam verdrehten Namen »Vermögen und Bau Baden-Württemberg-Amt«. Wieder traf ich auf die blonde Goldrandbrille, auf deren Namensschild »H Müller« stand. Ich legte der Dame den offiziellen Wisch vor, der es Dieter und mir untersagte, die flächige Konzertbestuhlung im Raum auch nur einen Zentimeter umzustellen und einen Laufsteg aufzubauen, und bat sie ganz freundlich, ihn kurz zu lesen. Dann fragte ich: »Frau Müller, haben Sie schon einmal eine Modenschau gemacht?« Als sie darauf betreten dreinsah und nicht antwortete, redete ich weiter.
»Vielleicht wissen Sie das nicht, aber ohne Laufsteg ist so eine Modenschau ein bisschen schwierig durchzuführen.«
Sie schob sich nun nervös die Brille auf der Nase zurecht und sagte: »Des habe ich net zu entscheide. Wenn des Gremium sagt, das Sie kei Laufsteg in den Saal ’nei baue dürfe, dann is des leider auch so.« Nun war der Moment gekommen, und ich schüttelte meinen Trumpf aus dem Ärmel:
»Also gut, dann interessiert es Ihr Gremium vielleicht, dass das Prinzenpaar von Preußen und eine Menge Prominente sich angekündigt haben. Außerdem wird sehr viel Presse vor Ort sein. Sie möchten offenbar, dass Prinzessin Brigitta von Preußen vor laufender Fernsehkamera sagt, dass sie leider von der Show nichts gesehen hat, weil die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg zu spießig waren, einen Laufsteg zu genehmigen. Sehe ich das richtig?«
Jetzt war die Dame plötzlich ganz blass.
Der große Tag war ein Samstag im Juni. Am Freitag davor standen wir noch den ganzen Tag im Laden – mit Adrenalin bisin die Haarspitzen vor Aufregung. Ich lief aufgekratzt hin und her, denn ich wollte endlich anfangen. In der Nacht von Freitag auf Samstag konnte ich kaum schlafen, weil ich noch letzte Hand an die moderne Version eines Rokoko-Kleides legte, mit Silberfolie, Schleifen und Goldglitter. Ständig fragte ich mich: Würde alles klappen? Hatten wir irgendwas vergessen? Ich hatte Lampenfieber, so musste sich ein Rockstar vor dem Auftritt fühlen.
Dieter und mir war vor ein paar Tagen siedend heiß eingefallen, dass wir zwar sonst an alles gedacht hatten, aber mit unserem kleinen Auto wohl kaum die ganzen voluminösen Kleider von dem Lagerraum, den wir extra für ein halbes Jahr angemietet hatten, knitterfrei zum Schloss transportieren konnten. Um das zu bewerkstelligen, hätten wir schon einen Kleinlaster gebraucht – aber für den Weg von nur einem Kilometer extra so ein Ding übers ganze Wochenende mieten? Die Kosten für alles waren ohnehin bereits enorm, und jede zusätzliche Mark wollten wir uns gern sparen. Also entschieden wir uns, zu Fuß zu gehen.
Wir hatten uns zwei extra lange Kleiderstangen auf Rollen besorgt – und mit denen rollten Dieter und ich nun morgens um sechs im Zeitlupentempo durch die halbe Stadt. Anfangs hatten wir es etwas flotter probiert, aber sobald wir schneller wurden, ließen sich die Ständer wegen der schweren Kleider entweder nicht mehr navigieren oder irgendwas fiel runter. Ständig mussten wir anhalten und etwas vom Boden klauben, während der jeweils andere beide Kleiderstangen festhielt. So schob sich unsere kleine »Zwei-Mann-Karawane« Meter für Meter voran, und wir brauchten für die kurze Strecke eine Dreiviertelstunde. Hinter uns bildete sich trotz der frühen Stunde eine Schlange aus neugierigen Leuten: Dieter und ich, die Rattenfänger von Stuttgart.
Und dann ging der ganze Stress erst richtig los. Weil uns jeder zusätzliche Tag auch zusätzliche Kosten verursacht hätte, mussten wir
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