Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
namens »Der Große Q« – mit dem längsten Laufsteg der Welt. Auf 1111 Metern sollte Mode aus ganz Europa präsentiert werden, und ich sollte als einer der Top-Designer mitmachen. Das Center wollte dafür sämtliche Kosten übernehmen und sogar die Models stellen. Das Einzige, was ich tun musste, war, meine Mode mitzubringen. Ich antwortete:
»Das klingt ganz toll. Aber ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist: Ich mache grundsätzlich keine Modenschau mit anderen Designern zusammen. Wenn Sie Pompöös wollen, dann laufen meine Models als Erste – und nach einem Break kommen erst die anderen. Ansonsten muss ich Ihnen leider absagen.«
Ich hielt kurz die Luft an, ob mein Gesprächspartner diese selbstbewusste Forderung akzeptieren würde. Ich wusste, dass es bei so einer Riesenveranstaltung die ersten Fotos waren, die am nächsten Tag in den Zeitungen und TV-Sendungen sein würden. Und ich wollte, dass das die Bilder meiner Mode wären.
Aber es war wie damals bei der Karnevalsveranstaltung in Weiterstadt: Nur wenn man genau sagte, was man haben wollte, konnte man es auch bekommen. Ohne auch nur eine Millisekunde zu zögern, sagte Pöhland zu. Das war natürlich einetolle Aussicht. Die Kehrseite der Medaille war, dass uns mal wieder keine Verschnaufpause vergönnt war. Wir mussten sofort mit den Vorbereitungen beginnen, denn schon im Oktober sollte es in die Hauptstadt gehen.
Am Tag vor dem »Großen Q« lädt Monika Diepgen, die Frau von Bürgermeister Diepgen, im Namen der Stadt Berlin einige der Modedesigner und die Leute vom Modecenter zu einem Frühstück ins Senatsgästehaus im Grunewald ein. Dieter und ich lassen uns an der festlich gedeckten Tafel nieder. Kaum sitzen wir, gesellt sich Monika Diepgen zu uns. Sie lächelt uns freundlich an und sagt zu mir:
»Wissen Sie, Herr Glööckler, ich freue mich riesig, dass Sie hier sind. Aber ich habe mich eben gefragt, was Sie eigentlich in Stuttgart hält? Nichts gegen die Stadt – aber einen Modemacher wie Sie bräuchten wir dringend in der Hauptstadt, hier fehlt ein bisschen frischer Wind!«
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich meine zu bemerken, wie der Chef des Modecenters, Herr Pöhland, der gegenüber an seiner Tasse Kaffee nippt, interessiert die Ohren spitzt. Ich erwidere:
»Vielen Dank für das Kompliment, Frau Diepgen! Ich habe Stuttgart natürlich zu schätzen gelernt, die Stadt hat einiges für uns getan …« Ich mache eine kurze Pause, denn ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist, jetzt das Richtige zu sagen. Schließlich fahre ich fort: »Sagen wir mal so: Ich würde einen Standortwechsel nicht kategorisch ausschließen – ich bin für Vorschläge ganz offen. Wichtig sind für uns im Grunde nur die Infrastruktur und Logistik. Wenn die stimmen, können wir mit Pompöös überall sein.«
Ich war in letzter Zeit viel zu beschäftigt, um die Zukunft weiter zu planen als bis zur jeweils nächsten Show. Aber Berlin erscheint mir plötzlich als eine Option. Eine sehr verführerische sogar.
Der Laufsteg auf dem Kurfürstendamm war in der Tat einer der beeindruckendsten, die ich je gesehen hatte. Stand man am Anfang, konnte man das Ende nur ahnen. Wie eine Straße, diesich in einem Punkt am Horizont verlor. Und auf beiden Seiten warteten schon Stunden vor Beginn der Veranstaltung Tausende von Menschen – und etliche Fernsehkameras. Ich bekam eine Gänsehaut.
Auf jeden Fall konnte ich mir Hoffnungen machen, dass diese Show den Bekanntheitsgrad von Pompöös um ein Vielfaches steigern und uns außerdem endlich den Osten der Republik erschließen würde, denn so bekannt wir mittlerweile im Westen waren, in Berlin hatten bisher nur Insider der Modebranche von Pompöös gehört. Wir hatten hundertzwanzig Models, die für uns laufen sollten – eine unglaubliche Zahl, aber es mussten so viele sein, weil es bei einer solchen Laufsteglänge natürlich nicht möglich war, sich umzuziehen. Je Model gab es ein Outfit, mehr nicht.
Die Mannequins kamen sämtlich aus Russland und sprachen kein Wort Deutsch. Tags zuvor hatten sich alle Modedesigner aus der riesigen Gruppe von Mädchen, die vom Modecenter vorab gecastet worden war – ich glaube, es waren insgesamt über achthundert junge Damen –, diejenigen heraussuchen dürfen, die sie für ihre Show haben wollten. Ich war mir vorgekommen wie auf einem Gänsemarkt. Vor mir eine Riesentraube junger Mädchen, alles hatte wie wild durcheinandergeschnattert.
Normalerweise nehme ich mir Zeit, um
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