Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
vom polnischen Publikum und der High Society frenetisch gefeiert. So konnte es von mir aus weitergehen.
FALSCHE NERZE UND DÜNNE HÖHENLUFT
W ie begeistert man ein Publikum, das schon alles gesehen hat? Menschen, die sich alles leisten können und für die überbordender Luxus das Normalste auf der Welt ist? Über diese Fragen zerbrach ich mir den Kopf, seit ich eine Anfrage des Palace Hotels in St. Moritz bekommen hatte. Das Palace war ein legendärer Fünf-Sterne-Palast, in dem nur abstieg, wer Rang, Namen oder unglaublich viel Geld hatte. In der Regel alles zusammen. In diesem Luxus-Tempel sollte ich für die verwöhnten »Oberen Zehntausend« im Februar 2001, während der kommenden Skisaison, eine Haute-Couture-Show präsentieren.
Natürlich hatte ich zugesagt. Und selbstverständlich wollte ich auch dieser Veranstaltung wieder eine besondere, unverwechselbare Note verleihen. Ich wollte mich auf keinen Fall wiederholen. Das war mein Anspruch an mich selbst, denn vermutlich wäre der Hotelchef auch mit einer »ganz normalen« Glööckler-Schau zufrieden gewesen – sofern das Prädikat »normal« auf mich und meine Mode überhaupt anwendbar ist.
Natürlich traf mich der Geistesblitz wie immer in einem unerwarteten Moment: Ich rannte mir auf dem Laufband in dem Berliner Fitness-Studio, in dem ich vor Kurzem Mitglied geworden war, den Stress aus dem Leib. Am Abend zuvor war eine potenzielle Kundin bei uns im neuen Showroom gewesen, die ständig wiederholt hatte: »Herr Glööckler, Sie machen Mode wie im Märchen! Wie im Märchen!« Und aus irgendeinem Grund hallte dieser Ausruf der Begeisterung die ganze Zeit in meinem Kopf nach. Märchen. Märchenmode. Modemärchen. Prinzessinnen. St. Moritz. Winter. Wintermärchen.Eis. Eisprinzessin. Schnee. Und auf einmal hatte ich’s: Schneewittchen auf Eis.
»Herr Glööckler, das ist … eine interessante Idee.« Der Agenturchef, der uns für die Show eingekauft hat, bleibt professionell. »Einen Laufsteg aus Eis im Speisesaal, das hatten wir in der Tat noch nie.« Ich beende das Gespräch und blättere in meinem Telefonverzeichnis nach der Nummer von Brigitte Nielsen. Ich habe sie sofort am Apparat und frage sie gleich, ob sie Schlittschuh laufen kann. »Natürlich kann ich das, Harald, ich bin Dänin! Wieso fragst du?«
Der Speisesaal des Palace Hotels musste wegen des dreißig Meter langen und fünf Meter breiten Eisbahn-Laufstegs drei Tage geschlossen werden: zum Aufbau einen Tag vor der Show, am Tag der Show und schließlich zum Abbau an einem danach. Das ist erst mal ein Skandal in einem Hotel, in dem verwöhnte Multimillionäre und Milliardäre seit dreißig Jahren in ihrem Winterurlaub denselben Tisch besetzen. Plötzlich bekamen diese größtenteils betagten Leute gesagt: Der Saal ist gesperrt. Ihr Platz ist heute mal nicht Ihr Platz, Sie können hier weder Ihr Frühstücksei genießen, noch Ihr Candle-Light-Dinner. Einen solchen Schritt überlegt sich ein Hotelmanagement sehr gut. Später sagte mir der Direktor des Hotels, sie hätten ganz bewusst diesen Weg gewählt, weil sie auch neues, junges Publikum brauchen. Denn so treu die alten Gäste auch sind – irgendwann kommen sie nicht mehr.
Schon vor der Anreise hatte ich mir die Frage gestellt: Wie trete ich dort eigentlich auf? Dieser Punkt war mir sehr wichtig. Ich würde mich in St. Moritz in einer Umgebung bewegen, in der sich die meisten Leute ganz selbstverständlich und unreflektiert mit toten Tieren behängten, um ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Genauso, wie das früher die neureichen Gäste im Gasthof meiner Eltern getan hatten. Darum sollte mein Outfit einerseits spektakulär sein und Pompöös repräsentieren,aber vor allem sollte es ein deutliches Statement gegen Echtpelze setzen. Die sollten meiner Meinung nach den Tieren vorbehalten sein, denen sie von Natur aus wachsen. Also hatte ich extra einen Mantel aus goldenem Stepp entworfen, der wie pures Gold wirkte. Der Kragen und der um den ganzen Mantel herumlaufende Abschluss waren aus strahlend weißem falschem Nerz gearbeitet – das Ganze sah aus wie ein überdimensionaler goldener Weihnachtsmann-Mantel. Dazu trug ich natürlich wie immer Berge von Perlen und anderen glitzernden Schmuck.
Tierfreundlich umhüllt rauschte ich dann am Tag meiner Ankunft wie ein moderner Prinz aus Tausendundeiner Nacht ins Hotel – und bemerkte sofort die pikierten Blicke einiger Damen in der Lobby. Das hatte ich erwartet, die Reaktion kannte ich
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