Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
gebe ich zurück. »Diese Farbe ist sicher perfekt, wenn sie von dunkelhäutigen Schönheiten auf Kuba getragen wird, falls man da überhaupt Strumpfhosen braucht. Aber hier sind die Teile einfach zu dunkel.«
Sie betrachtet die Strumpfhose so intensiv, als hätte sie Mühe, den Zusammenhang zwischen dem Textil und dem, was ich gerade gesagt habe, zu erkennen. Dann sagt sie schließlich: »Wir haben aber keine helleren.«
Ich knülle die Strumpfhose zusammen, pfeffere sie mit einem gezielten Schwung in den Mülleimer und sage: »Dann müssen wir eben hellere bestellen.« Bevor sie sich beschweren kann, bin ich schon aus der Tür.
Immer wieder fuhr ich mit der U-Bahn in den Friedrichstadtpalast. Die maßangefertigten Kostüme waren noch lange nicht alles, um was ich mich kümmern musste. Jedes winzige Detail des visuellen Auftritts lag in meiner Verantwortung. Ich dachte mir auch die Frisuren und das Make-up aus. Als wäre das nicht genug Arbeit, gab es ständig irgendwelche absurden Probleme.
So artete zum Beispiel die alberne Strumpfhosenfrage mit der Zeit zur Grundsatzdiskussion aus. Es schien ein Riesenproblem darzustellen, neue, hellere Beinbekleidung zu besorgen. Und immer wurden mir andere Argumente präsentiert. Mal waren die alten Strümpfe »doch noch gut«. Mal war es zu teuer, neue anzuschaffen. Beim nächsten Mal behauptete jemand, dass man hellere Strumpfhosen, die man extra für die Weihnachtsrevue anschaffte, ja danach nie wieder würde verwenden können.
Dazu kam, dass besonders die Tänzerinnen mit manchen Dingen, die von mir kamen, schon aus Prinzip ein Riesenproblem zu haben schienen. Einmal wagte ich es zu sagen: »Kinder, ihr müsst Brust zeigen, unter dieses Kleid gehört ein Push-up, das sieht sonst nicht aus.« Eigentlich hatte ich das als Feststellung gemeint und damit keine Diskussion anstoßen wollen. Doch offensichtlich verstand man meine Bemerkung als ungeheuerlichen Fauxpas.
Die Mädchen schauten mich alle so empört an, als hätte ich gerade versucht, sie sexuell zu belästigen – ich konnte wohl von Glück sagen, dass man mir das nun wirklich nicht anhängen konnte. Eine sagte in leicht schnippischem Tonfall: »Wir tragen aber nie BHs.« Ich bemühte mich, die Ruhe zu bewahren: »Das könnt ihr privat machen, wie ihr wollt, aber in dieses Kleid muss ein Push-up rein. So!« Die blonde Tänzerin, die keinen BH tragen wollte, verschränkte trotzig die Arme. »Vielleicht sagst du mir nachher noch, ich soll mir die Brüste operieren lassen.« Ich seufzte: »Meine Güte, das kannst du machen, wie du willst. Das musst du selber wissen.«
Am nächsten Tag rief mich der Theaterdirektor zu sich. Das Mädchen war zu ihm gerannt und hatte behauptet, ich hätte von ihr verlangt, sie solle sich den Busen vergrößern lassen. Es war der reinste Kindergarten. Zum Glück hatte er sich schon fast gedacht, dass ein, wie er es ausdrückte, »Missverständnis« dahintersteckte.
Solche Zwischenfälle zehrten an den Nerven, aber ich nahm die Hindernisse, wie sie kamen, und setzte mich am Ende immer durch. Die Mädchen hatten heimlich, still und leise Push-ups angeschafft, und eines schönen Sommertages 2002 gab es – siehe da – auch plötzlich helle Strumpfhosen. Und peu à peu taute auch Frau Böttcher auf.
Unzählige Male probte das Ensemble mit den Kostümen im unterschiedlichen Fertigungsgrad. Für mich war das wichtig, um zu sehen, ob die Kostüme mit der Inszenierung und den Bewegungen kompatibel waren und wo noch etwas geändert werden musste. Die Bühnenkleidung sollte ja die künstlerische Darbietung so gut wie möglich unterstreichen und nicht behindern. Außerdem wurde etwas sehr Ungewöhnliches gemacht: Weil manche Kostüme so schön waren, aber sich beim Proben herausstellte, dass mit ihnen bestimmte Figuren nicht so möglich waren wie ursprünglich gedacht, passte der Chefchoreograph die Ballett-Inszenierung an einigen Stellen an. Er hatte selbst als junger Mann in Paris getanzt und hatte miterlebt, wie Yves Saint Laurent eine Revue ausgestattet hatte. Das hatte ihn bereits damals begeistert, und entsprechend angetan war er auch jetzt von meinem Engagement. Er verzichtete zugunsten der Kostüme auf bestimmte Bewegungen, weil sie die Modelle zum Bersten gebracht hätten, und überlegte sich stattdessen andere Figuren. Das empfand ich als große Würdigung meiner Arbeit.
Die Vorbereitungen für die Revue beschäftigten mich ein gutes Dreivierteljahr. Ende November 2002 war es
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