Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
sich auf die Zehen, dann landet, bevor der Fuß sich vom Boden entfernt, die linke Ferse. Ohne Unterlass. Die Zeit floss langsamer. Als wäre eine Feder gebrochen, als kämen die Zeiger nicht mehr voran. In meinem Kopf bewegten sich die rosafarbenen Joggingschuhe langsam vor, langsam zurück. Es knirschte und hallte:
Efgvén-gthouv-bge-shpèvg-égvele-wgevl.
Efgvén-gthouv-bge-shpèvg-égvele-wgevl.
Efgvén-gthouv-bge …
Der alte Teufel saß an dem finnischen Feldweg auf einem Stein. Er war zehn- oder zwanzigtausend Jahre alt, er wirkte sehr erschöpft, seine Kleidung und seine Schuhe waren über und über mit Staub bedeckt. Sogar sein Bart war fadenscheinig geworden. »Wohin des Wegs in dieser Eile?«, fragte der Teufel den Bauern. »Meine Hacke ist entzwei, ich muss sie reparieren«, antwortete der Bauer. »Das hat doch keine Eile«, sagte der Teufel. »Die Sonne steht noch hoch, was willst du dich so plagen! Setz dich eine Weile her und hör dir meine Geschichte an.« Der Bauer sah den Teufel misstrauisch an. Er wusste, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn man sich mit dem Teufel einlässt, aber der sah so elend und müde aus, dass der Bauer …
Etwas schlug mir ins Gesicht, etwas Weiches, Flaches. Etwas Weiches, Flaches, nicht besonders Großes, etwas Vertrautes. Aber was? Während ich noch überlegte, schlug es ein zweites Mal zu. Ich wollte es mit der rechten Hand wegwedeln, schaffte es aber nicht. Es schlug mich ein drittes Mal. Vor meinem Gesicht glitzerte es hin und her, unangenehm grell. Ich schlug die Augen auf. Bis dahin war mir gar nicht bewusst gewesen, dass sie geschlossen gewesen waren. Meine Augen waren geschlossen gewesen. Direkt vor meinen Augen befand sich die große Handlampe meiner Gefährtin, und was mich geschlagen hatte, war ihre Hand gewesen.
»Lass das, Mensch!«, schrie ich. »Das blendet, das tut weh!«
»Red keinen Unsinn! Was soll denn das, hier zu schlafen! Steh auf, los!«, sagte das Mädchen.
»Aufstehn?« Ich knipste meine Taschenlampe an und sah mich um. Ich saß auf dem Boden, gegen die Wand gelehnt. Ohne es gemerkt zu haben. Ich musste irgendwann eingeschlafen sein. Der Boden und die Wand waren klatschnass.
Ich rappelte mich auf. »Das verstehe ich nicht. Ich bin wohl eingeschlafen. Aber ich kann mich nicht erinnern, mich hingehockt zu haben, und ich kann mich auch nicht erinnern, dass ich hätte schlafen wollen.«
»Das sind die Wesen«, sagte das Mädchen. »Sie versuchen, uns einzuschläfern, hier an Ort und Stelle.«
»Welche Wesen?«
»Die Wesen dieses Berges. Götter oder Gespenster, was weiß ich, irgendwelche Wesen eben. Sie versuchen, uns aufzuhalten.«
Ich schüttelte mich, um einen einigermaßen klaren Kopf zu bekommen.
»Mir wurde schummerig zumute, bald wusste ich nicht mehr, ob ich mit offenen oder geschlossenen Augen ging. Und deine Schuhe knirschten so merkwürdig …«
»Meine Schuhe?«
Ich erzählte ihr, wie mich das Knirschen ihrer Schuhe zu dem alten Teufel geführt hatte.
»Das ist Gaukelei«, sagte sie. »Eine Art Hypnose. Wenn ich nichts gemerkt hätte, hättest du hier gelegen, bis es zu spät gewesen wäre.«
»Zu spät?«
»Genau. Bis es zu spät gewesen wäre«, sagte sie, führte das aber nicht genauer aus. »Du hast doch ein Seil eingesteckt, oder?«
»Ein kurzes, fünf Meter oder so.«
»Hol’s raus!«
Ich setzte meinen Rucksack ab, zog zwischen den Büchsen, dem Whiskey und der Feldflasche das Nylonseil heraus und gab es ihr. Sie verknotete ein Ende an meinem Gürtel und schlang sich das andere um die Hüften. Dann zogen wir gegenseitig, um zu prüfen, ob es hielt.
»So geht’s«, sagte sie. »Jetzt verlieren wir uns nicht mehr aus den Augen.«
»Es sei denn, wir schlafen beide ein«, sagte ich. »Du hast doch auch noch nicht viel geschlafen, oder?«
»Mal den Teufel nicht an die Wand! Sobald du anfängst, dich zu bemitleiden, weil du nicht genug geschlafen hast, treten die bösen Kräfte auf den Plan. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Dann los. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Wir machten uns wieder auf den Weg, verbunden durch das Nylonseil. Ich gab mir alle Mühe, das Knirschen ihrer Schuhe zu ignorieren. Ich richtete das Licht der Taschenlampe auf ihren Rücken und fixierte die olivgrüne Kampfjacke. Ich hatte sie mir 1971 gekauft, das wusste ich noch genau. In Vietnam herrschte noch Krieg, und Präsident der Vereinigten Staaten war der Herr mit dem ominösen Gesicht, Richard Nixon. Damals hatten alle lange
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