Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
denn?«
»Um eine blaue Sporttasche mit Nike-Emblem«, sagte ich.
»Nike-Emblem, wie sieht das aus?«
Ich ließ mir Papier und Bleistift geben, malte eine Art gestauchten Bumerang auf und schrieb NIKE darüber. Der Mann warf einen zweifelnden Blick darauf und schritt dann mit dem Zettel in der Hand die Regale ab; schließlich kam er mit meiner Tasche zurück.
»Die hier?«, fragte er.
»Genau«, sagte ich.
»Ihre Personalien bitte. Können Sie sich ausweisen?«
Ich reichte ihm meinen Führerschein. Der Mann verglich die Daten mit dem an der Tasche befestigten Gepäckschein. Dann machte er den Schein ab und legte ihn mir mit einem Kugelschreiber auf den Tresen: »Hier unterschreiben!« Ich unterschrieb, bekam die Tasche und bedankte mich.
Das Gepäck hatte ich zwar nun erfolgreich ausgelöst, aber die blaue Sporttasche mit dem Nike-Emblem passte einfach nicht zu meinem Outfit. Damit konnte ich unmöglich das Mädchen zum Essen ausführen. Ich spielte mit dem Gedanken, eine neue zu kaufen, doch um den Schädel unterzubringen, würde ich entweder eine von der Größe einer Reisetasche erstehen müssen oder einen Bowlingkugelschoner. Eine Reisetasche wäre zu schwer, und der Kugelschoner kam nicht in Frage – dann könnte ich ebenso gut mit der Nike-Tasche herumlaufen.
Am Ende meiner Überlegungen kam ich zu dem Schluss, dass es das Beste wäre, einen Wagen zu mieten und die Tasche auf dem Rücksitz unterzubringen. Dann musste ich die Tasche nicht herumtragen und mir außerdem keine Sorgen machen, ob sie zu meiner Kleidung passte oder nicht. Am besten wäre ein schnittiger europäischer Wagen. Nicht, dass ich europäische Autos besonders mochte, aber immerhin handelte es sich um einen ganz besonderen Tag in meinem Leben, da war es, schien mir, durchaus angebracht, ein entsprechendes Modell zu fahren. Bisher hatte ich immer nur schrottreife Volkswagen und japanische Kleinwagen gefahren.
Ich ging in ein Café, lieh mir ein Branchenverzeichnis, markierte mit dem Kugelschreiber vier in der Nähe des Bahnhofs liegende Autovermietungen und rief sie der Reihe nach an. Keine hatte europäische Autos. Sonntags stünden um diese Jahreszeit kaum Wagen zur Verfügung, und ausländische Marken führe man überhaupt nicht. Zwei der vier Vertretungen hatten gar nichts mehr, was man als Pkw hätte bezeichnen können. Eine konnte einen Honda Civic anbieten. Die vierte hatte noch einen Toyota Carina 1800 GT Twincam Turbo und einen Toyota Corona Mark II. Beide seien brandneu und hätten Stereoanlage, sagte das Mädchen am Telefon. Ich hatte keine Lust, weiter herumzutelefonieren, und entschied mich für den Carina 1800 GT Twincam Turbo. Eigentlich interessierte ich mich ja gar nicht für Autos, im Grunde war jedes recht. Ich wusste nicht einmal, wie der neue Carina 1800 GT Twincam Turbo und der Corona Mark II aussahen.
Dann ging ich in einen Plattenladen und kaufte ein paar Tonbandkassetten. The Best of Johnny Mathis, Schönbergs Verklärte Nacht, dirigiert von Zubin Mehta, Kenny Burrells Stormy Sunday, Duke Ellingtons Popular Ellington , die Brandenburgischen Konzerte, interpretiert von Trevor Pinnock, und eine Bob-Dylan-Kassette mit Like a Rolling Stone. Ein ziemlicher Mischmasch, aber unumgänglich: Schließlich hatte ich keine Ahnung, was für Musik ich in dem Carina 1800 GT Twincam Turbo würde hören wollen. Vielleicht würde ich ins Polster sinken und mir James Taylor wünschen. Oder einen Wiener Walzer. Vielleicht auch Police. Oder Duran Duran. Vielleicht würde ich auch gar nichts hören wollen. Ich wusste es noch nicht.
Ich warf die sechs Kassetten in die Nike-Tasche, ging zum Autoverleih, ließ mir den Wagen zeigen, präsentierte meinen Führerschein und unterschrieb die Papiere. Verglichen mit meinem eigenen Wagen kam mir der Fahrersitz des Carina 1800 GT Twincam Turbo wie die Pilotenkanzel eines Space Shuttle vor. Leuten, die so einen Wagen fuhren, käme meiner wahrscheinlich wie eine Höhle auf Rädern vor. Ich legte Bob Dylan ein und verwendete, während Watching the River Flow ertönte, viel Zeit darauf, die einzelnen Knöpfe und Schalter auszuprobieren. Beim Fahren würde ich es mir nicht leisten können, einen falschen zu drücken.
Während ich bei dem stehenden Wagen die diversen Schalter betätigte, kam die nette junge Frau, die mich betreut hatte, aus dem Büro, stellte sich neben das Auto und fragte, ob vielleicht etwas nicht in Ordnung sei. Sie lächelte ein sauberes, wohltuendes
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