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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Fernsehwerbungslächeln. Ihre Zähne waren weiß, die Mundpartie straff, ihr Lippenstift von schönem Rot.
    Nein, nein, sagte ich, ich schaue nur, dass ich beim Fahren keine Schwierigkeiten bekomme.
    »O ja«, sagte sie und lächelte wieder. Ihr Lächeln erinnerte mich an ein Mädchen aus meiner Gymnasialzeit. Ein frisches, gescheites Ding. Soviel ich gehört hatte, hatte sie auf der Uni einen Revoluzzer kennen gelernt und geheiratet, zwei Kindern das Leben geschenkt, dann Mann und Kinder im Stich gelassen und war verschwunden, niemand wusste, wohin. Das Lächeln des Büromädchens der Autovermietung erinnerte mich an diese Schulkameradin. Wer hätte damals geahnt, dass das siebzehnjährige Ding, das J. D. Salinger und George Harrison mochte, ein paar Jahre später einem Revoluzzer zwei Kinder schenken und dann spurlos verschwinden würde?
    »Wenn nur alle Kunden so vorsichtig wären!«, sagte das Büromädchen. »Die Autos sind heute so hochtechnisiert, da muss man sich erst eingewöhnen.«
    Ich nickte. Ich war also nicht der Einzige, der nicht Bescheid wusste. »Wo muss ich drücken, wenn ich die Wurzel aus 185 wissen will?«, fragte ich.
    »Das wird erst im nächsten Modell eingebaut«, sagte sie lachend. »Bob Dylan, nicht wahr?«
    »Genau«, sagte ich. Bob Dylan sang gerade Positively Fourth Street. Ein guter Song ist und bleibt ein guter Song, auch nach zwanzig Jahren.
    »Bob Dylan höre ich immer sofort heraus«, sagte sie.
    »Weil er schlechter Mundharmonika spielt als Stevie Wonder?«
    Sie lachte. Sie zum Lachen zu bringen machte mir Spaß. Ich konnte ein junges Mädchen noch zum Lachen bringen!
    »Nein, wegen seiner Stimme«, sagte sie. »Eine Stimme wie ein kleines Kind, das vom Fenster aus dem Regen zusieht.«
    »Das ist ein schöner Vergleich«, sagte ich. Es war ein schöner Vergleich. Ich hatte ein paar Bücher über Bob Dylan gelesen, doch ein so passendes Wort war mir dabei nie untergekommen. Kurz und treffend. Ich sagte ihr das, und sie errötete ein wenig.
    »Ich weiß nicht. Ich empfinde die Stimme nur so.«
    »Das, was man empfindet, in eigene Worte zu kleiden ist furchtbar schwierig«, sagte ich. »Empfindungen hat jeder, aber präzise artikulieren kann sie kaum jemand.«
    »Mein Traum ist, Schriftstellerin zu werden«, sagte sie.
    »Sie werden bestimmt eine gute Schriftstellerin«, sagte ich.
    »Vielen Dank!«
    »In Ihrem Alter hört man sonst aber selten Bob Dylan, oder?«
    »Ich mag Oldies. Bob Dylan, die Beatles, die Doors, die Byrds, Jimi Hendrix und so.«
    »Ich hätte Lust, mich mit Ihnen einmal in Ruhe zu unterhalten!«, sagte ich.
    Sie lachte und neigte den Kopf zur Seite, eine Spur nur. Gescheite Mädchen kennen hundert verschiedene Antworten auf solche Anliegen. Und sie geben sie, auch einem fünfunddreißigjährigen geschiedenen, müden Mann. Ich bedankte mich bei ihr und fuhr los. Dylan sang Memphis Blues Again. Dank des Mädchens war meine Laune erheblich gestiegen. Gut, dass ich mich für den Carina 1800 GT Twincam Turbo entschieden hatte!
    Die digitale Uhr am Armaturenbrett zeigte 4:42. Der sonnenlose Himmel über der Stadt ging in Dämmerung über. Durch die verstopften Straßen kroch ich Richtung Zuhause. Es herrschte nicht nur der Verkehr, wie er an regnerischen Sonntagen herrscht – er lag geradezu tragisch lahm: Ein kleiner grüner Sportwagen hatte seine Nase zu weit in die Seite eines mit Betonblöcken beladenen Achttonners gesteckt. Der grüne Flitzer war verformt wie ein leerer Karton, auf dem jemand Platz genommen hat. Ein paar Polizisten in schwarzen Regenmänteln standen herum, das Wrack wurde gerade an einen Abschleppwagen gekettet.
    Es hatte ziemlich lange gedauert, bis ich an der Unfallstelle vorbei war, doch bis zu meiner Verabredung blieb immer noch Zeit, sodass ich in Ruhe eine rauchte und weiter Bob Dylan hörte. Dann versuchte ich mir vorzustellen, wie es wäre, mit einem Revoluzzer verheiratet zu sein. Durfte man Revoluzzertum als Beruf auffassen? Streng genommen ist Revolution natürlich kein Berufsfeld. Politik andererseits sehr wohl, und Revolution war immerhin eine Spielart von Politik. Ein Urteil wollte mir aber nicht gelingen.
    Würde der Ehemann, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kam, am Tisch ein Bier trinken und vom Fortgang der Revolution erzählen?
    Bob Dylan begann sein Like a Rolling Stone ; ich ließ die Revolution Revolution sein und summte stattdessen mit. Wir alle werden älter. Daran lässt sich so wenig rütteln wie an

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