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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Regenwetter.

34  DAS ENDE DER WELT
SCHÄDEL
    Vögel ziehen vorüber. Sie fliegen tief über den verschneiten Westhügel und verschwinden aus meinem Blickfeld.
    Ich stehe vorm Ofen, um mir Hände und Füße zu wärmen, und trinke dabei den heißen Tee, den der Alte mir eingegossen hat.
    »Willst du auch heute Abend wieder zum Traumlesen? Wenn das so weitergeht, werden wir bis dahin mächtig zugeschneit sein, und dann ist der Weg runter zur Bibliothek und zurück gefährlich. Kannst du dir nicht einen Tag freinehmen?«, sagt der Alte.
    »Gerade heute geht das nicht«, sage ich.
    Der Alte schüttelt den Kopf und geht hinaus, kommt aber bald mit ein paar Schneestiefeln zurück, die er irgendwo für mich aufgetrieben hat. »Zieh die hier an. Damit rutschst du auf den verschneiten Wegen wenigstens nicht aus.«
    Ich probiere sie an – sie passen wie angegossen. Ein gutes Zeichen.
    Es wird Zeit. Ich wickle mir den Schal um den Hals, ziehe die Handschuhe an und leihe mir die Mütze des Alten aus. Dann drücke ich die Konzertina zusammen und stecke sie in die Manteltasche. Ich habe die kleine Ziehharmonika so lieb gewonnen, dass ich sie ständig bei mir tragen will.
    »Pass auf dich auf«, sagt der Alte. »Das ist jetzt die kritischste Zeit für dich. Wenn jetzt etwas passieren sollte, ist es nicht wieder gutzumachen.«
    »Ja, ich weiß«, sage ich.

    Wie ich mir gedacht habe, ist das Loch schon ziemlich mit Schnee zugeweht. Die Alten sind weg, die Werkzeuge haben sie fortgeräumt. Wenn es so weiterschneien sollte, wird das Loch morgen früh mit Sicherheit nicht mehr zu sehen sein. Ich stelle mich an den Rand und schaue lange Zeit zu, wie der Schnee hineinweht. Schließlich reiße ich mich aber doch los und gehe den Hügel hinab.
    Es schneit so heftig, dass ich keine zwei Meter weit sehen kann. Ich nehme die Brille ab, stecke sie in die Tasche, ziehe mir den Schal bis über die Nase und gehe weiter den Hang hinab. Die Schneestiefel mit den Spike-Sohlen schmatzen angenehm, und ab und zu höre ich aus dem Gebüsch den Ruf eines Vogels. Keine Ahnung, was die Vögel von dem Schnee halten. Und die Tiere erst. Wenn es schneit ohne Ende, was denken sie dann bloß?

    Ich treffe ungefähr eine Stunde früher in der Bibliothek ein als sonst, aber die Bibliothekarin hat das Zimmer vorgeheizt und wartet schon auf mich. Sie klopft mir den Schnee vom Mantel und kratzt das Eis von den Stiefeln, das sich zwischen den Spikes festgesetzt hat.
    Die Bibliothek kommt mir so lieb und teuer vor wie nie zuvor, obwohl sie sich seit gestern doch kaum verändert haben kann. Die Lampe, deren gelber Schein sich im Milchglas spiegelt, die vertraute, wohlige Wärme, die der Ofen ausstrahlt, der Duft von Kaffee, den die dampfende Tülle der Kaffeekanne verströmt, stille Erinnerungen an alte Zeiten, die sich bis in den hintersten Winkel des Raumes eingenistet haben, die leisen, sparsamen Bewegungen der Bibliothekarin – das alles scheint mir nun längst verloren. Ich lasse mich fallen, tauche noch einmal tief ein in diese friedliche Welt und denke daran, dass ich sie für immer verlieren werde.
    »Sollen wir jetzt zu Abend essen? Oder lieber etwas später?«
    »Ich will nichts essen. Hab keinen Hunger«, sage ich.
    »Gut. Sag mir nur Bescheid, sobald du Hunger bekommst. Wie wär’s mit einem Kaffee?«
    »Ja, danke.«
    Ich ziehe die Handschuhe aus und hänge sie zum Trocknen an die Ofengriffe. Dann wärme ich mir vor dem Ofen die Hände – ich muss jeden Finger einzeln auftauen – und schaue ihr zu, wie sie die Kanne von der Platte nimmt und Kaffee in zwei Tassen gießt. Sie reicht mir eine davon, setzt sich dann alleine an den Tisch und trinkt ihren Kaffee.
    »Draußen schneit es wie verrückt. Man kann die Hand vor Augen nicht sehen!«, sage ich.
    »Ja, und das wird auch noch ein paar Tage so weitergehen. Bis die dicken Wolken, die am Himmel hängen, all ihren Schnee losgeworden sind.«
    Ich trinke den heißen Kaffee halb aus und setze mich mit der Tasse in der Hand auf den Stuhl ihr gegenüber. Dann stelle ich die Tasse ab und sehe die Bibliothekarin eine Weile wortlos an. Mir wird furchtbar traurig zumute dabei, es ist, als geriete ich in einen Sog, der mich unaufhaltsam von ihr wegzieht.
    »Warte nur, bis es erst aufgehört hat zu schneien. Dann liegt so viel Schnee, wie du noch nie in deinem Leben zu Gesicht bekommen hast, bestimmt!«, sagt sie.
    »Das werde ich mir wahrscheinlich nicht mehr ansehen können.«
    Sie blickt von ihrer Tasse auf und

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