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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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»eingebaut«. Das stammte nicht von Menschenhand. So weiches, mildes Kunstlicht gab es nicht.
    Ich löste sachte meinen rechten Arm aus ihren Händen, langte zum Tisch und nahm den Schädel auf den Schoß.
    »Hast du keine Angst?«, fragte sie leise.
    »Nein«, sagte ich. Ich hatte keine Angst. Irgendwie hatte das etwas mit mir zu tun. Und vor sich selbst hat niemand Angst.
    Ich verspürte in den Händen eine Wärme wie von winzigem, ersterbendem Feuer. Selbst meine Finger schienen von fahlem Licht umhüllt zu sein. Die Augen geschlossen, die Finger in die laue Wärme getaucht, spürte ich in meiner Seele Wolken ferner Erinnerungen aufziehen.
    »Nach Nachbildung sieht das nicht aus«, sagte sie. »Der Schädel ist echt, meinst du nicht? Und birgt ferne Erinnerungen aus ferner Zeit …«
    Ich nickte nur. Was wusste ich schon? Ob Nachbildung oder nicht, der Schädel strahlte Licht ab, und ich hielt es in Händen. Ich wusste nur, dass dieses Licht mir etwas erzählte. Das spürte ich unmittelbar. Es deutete mir etwas an. Vielleicht die neue Welt, vielleicht die alte, die ich bald hinter mir lassen würde. Ganz konnte ich es nicht erfassen.
    Ich öffnete die Augen und sah mir das Licht, das meine Finger tünchte, noch einmal genau an. Was es bedeutete, begriff ich nicht, aber ich spürte deutlich, dass es nichts Böses, nichts Feindliches enthielt. Es schmiegte sich in meine Hände, dort zu sein schien ihm zu genügen. Mit den Fingerspitzen zeichnete ich den Lichtbogen nach. Nein, Angst brauchst du nicht zu haben, dachte ich. Vor mir selbst Angst zu haben gab es keinen Grund.
    Ich stellte den Schädel wieder auf den Tisch und berührte mit den Fingerspitzen die Frau an der Wange.
    »Wie warm!«, sagte sie.
    »Das Licht ist warm«, sagte ich.
    »Darf ich es auch mal anfassen?«
    »Sicher!«
    Sie legte die Hände auf den Schädel und schloss die Augen. Auch um ihre Finger floss nun weißes Licht.
    »Ich spüre etwas«, sagte sie. »Was es ist, weiß ich nicht, aber ich kenne es irgendwoher. Luft, Licht, Töne, so etwas. Ich kann es nicht beschreiben.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich. »Ich habe Durst.«
    »Möchtest du ein Bier? Oder lieber Wasser?«
    »Ein Bier«, sagte ich.
    Während sie das Bier und Gläser holte, suchte ich meine Uhr; sie lag hinter dem Sofa. Es war 4:16. In gut einer Stunde würde die Sonne aufgehen. Ich holte das Telefon und wählte meine Nummer. Da ich noch nie bei mir angerufen hatte, dauerte es eine Weile, bis sie mir einfiel. Niemand nahm ab. Ich ließ es fünfzehnmal klingeln, legte dann auf, wählte neu und ließ es wieder fünfzehnmal klingeln. Dasselbe. Niemand ging an den Apparat.
    Ob die Dicke schon wieder unterwegs zu ihrem Großvater war, der unter der Erde auf sie wartete? Oder hatten die Semioten oder die Leute vom System sie vielleicht in meiner Wohnung aufgegriffen? Wie auch immer, sie würde es schon schaffen. Sie schaffte alles, zehnmal besser als ich. Dabei war sie nicht mal halb so alt wie ich. Das war schon enorm. Ich legte auf; bei dem Gedanken, sie nie mehr wiederzusehen, wurde es mir ein wenig weh ums Herz. Weh wie beim Anblick eines Hotels, das geschlossen wird – man trägt die Sofas heraus, nimmt die Kronleuchter ab; Fenster um Fenster werden die Vorhänge entfernt, geht eins ums andere zu.
    Wir saßen auf dem Sofa, tranken Bier und schauten auf das weiße Licht, das von dem Schädel ausging.
    »Ist das Leuchten eine Reaktion auf dich?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Aber ich glaube schon. Wenn auch vielleicht nicht direkt.«
    Ich leerte den Rest Bier in mein Glas und trank es langsam aus. In der vormorgendlichen Welt war es still wie in einem einsamen Wald. Auf dem Teppichboden verstreut lagen unsere Kleidungsstücke. Mein Blazer, das Hemd, die Krawatte, die Hosen, ihr Kleid, ihre Strümpfe, ihr Slip. Der Kleiderhaufen kam mir vor wie das Gestalt gewordene Resultat meines fünfunddreißigjährigen Lebens.
    »Was schaust du dir denn da so genau an?«, fragte sie.
    »Die Kleidungsstücke.«
    »Warum denn das?«
    »Bis vor kurzem waren sie noch ein Teil von mir. Und deine ein Teil von dir. Jetzt nicht mehr. Sie sehen anders aus, als gehörten sie anderen Leuten. Sie sehen nicht aus, als ob sie zu uns gehörten.«
    »Das liegt daran, dass wir miteinander geschlafen haben«, sagte sie. »Nach dem Sex wird man oft introspektiv.«
    »Nein, nein, das ist es nicht«, sagte ich, das leere Glas in der Hand. »Ich bin nicht in mich gekehrt. Mir fallen jetzt nur

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