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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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sie getroffen, als sie zurückkam?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Ich hatte keinen Grund dazu. Für mich war sie eine völlig fremde Person, die nichts mit mir zu tun hatte.«
    »Aber vielleicht war sie gerade du selbst.«
    »Ja, vielleicht«, sagt sie. »Aber jetzt spielt das keine Rolle mehr. Der Kreis hat sich schon geschlossen.«
    Die Kanne auf dem Ofen beginnt zu rappeln. Für mich hört es sich an wie zehn Kilometer entferntes Rauschen von Wind.
    »Brauchst du mich jetzt trotzdem noch?«
    »Ja, ich brauche dich«, antworte ich.

17  HARD-BOILED WONDERLAND
DAS ENDE DER WELT, CHARLIE PARKER, DIE ZEITBOMBE
    »Bitte«, sagte das dicke Mädchen. »Wenn wir nichts unternehmen, geht die Welt unter.«
    Umso besser, dachte ich. Meine Wunde tat so teuflisch weh, als hätten zwei quicklebendige Zwillingsknaben es darauf abgesehen, mit vierbeiniger Treterei den engen Rahmen meiner Vorstellung von Schmerz zu erweitern.
    »Was ist los? Ist dir schlecht?«, fragte das Mädchen.
    Ich atmete tief ein, griff mir mein T-Shirt und wischte mir mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht.
    »Jemand«, ließ ich den Schwall Luft heraus, »hat mir auf sechs Zentimeter Breite den Bauch aufgeschlitzt.«
    »Aufgeschlitzt?«
    »Wie eine Spardose«, sagte ich.
    »Aber wer denn? Und wozu?«
    »Das wüsste ich auch gerne«, sagte ich. »Ich hab mir schon die ganze Zeit den Kopf zerbrochen. Ergebnis: null. Keine Ahnung. Kannst du mir vielleicht sagen, warum alle auf mir herumtrampeln wie auf einem Fußabtreter?«
    Die Kleine schüttelte den Kopf.
    »Ich dachte, möglicherweise stecken die beiden gar mit dir unter einer Decke. Die beiden, die mich aufgeschlitzt haben.«
    Das dicke Mädchen sah mich eine Weile verständnislos an. »Warum glaubst du denn so was?«
    »Ich weiß nicht.Vielleicht, um jemandem die Schuld geben zu können. Das macht die Sache erträglicher – wenn man schon keine Ahnung hat.«
    »Aber es klärt nichts.«
    »Es klärt nichts, nein«, sagte ich. »Aber ist das meine Sache? Ich habe nichts angefangen. Die Sache geölt, gefettet und den Hebel umgelegt hat dein Großvater. Was habe ich mit der Klärung zu schaffen?«
    Wieder überfiel mich heftiger Schmerz. Ich presste die Lippen aufeinander und wartete – wartete wie ein Schrankenwärter, dass der Zug vorüberrauscht.
    »Heute zum Beispiel wieder! Zuerst rufst du in aller Herrgottsfrühe an. Bittest mich um Hilfe, weil dein Großvater verschwunden sei. Ich eile los, wer taucht nicht auf? Du. Ich geh nach Hause und lege mich hin, schon kommen zwei merkwürdige Typen, demolieren meine Wohnung und schlitzen mir den Bauch auf. Anschließend tauchen welche vom System auf und nehmen mich ins Kreuzverhör. Und jetzt wieder du. Alles wie geplant und abgesprochen. Einer spielt dem anderen den Ball zu. Was weißt du eigentlich von der ganzen Sache?«
    »Nicht viel mehr als du, um ehrlich zu sein. Ich bin nur meinem Großvater bei seinen Studien zur Hand gegangen und habe getan, was er gesagt hat. Tu dies, tu jenes, geh dorthin, geh dahin, ruf an, schreib diesen Brief, schreib jenen. Das ist alles. Worauf mein Großvater hinauswollte, das weiß ich ebenso wenig wie du.«
    »Aber du hast ihm doch bei seinen Forschungen geholfen!«
    »Schon, aber das betraf nur technische Fragen, reine Datenverarbeitung. Ich habe nicht das Fachwissen; wenn ich etwas gesehen oder gehört hätte, hätte ich es gar nicht verstanden.«
    Ich ordnete meine Gedanken, trommelte dabei mit den Fingernägeln gegen die Schneidezähne. Ich brauchte einen Anfang. Wenigstens ein Stückchen musste ich aufdröseln, damit die Situation mich nicht vollends verschlang.
    »Du hast eben gesagt, wenn wir nichts unternähmen, ginge die Welt unter. Was meinst du damit? Warum geht die Welt unter, und wie?«
    »Das weiß ich nicht. Mein Großvater hat das gesagt. Wenn ihm jetzt etwas zustieße, dann ginge die Welt unter. Mein Großvater sagt so etwas nicht aus Spaß. Wenn er sagt, die Welt geht unter, dann geht sie auch unter. Die Welt geht unter! «
    »Das verstehe ich nicht«, sagte ich. »Was soll das denn heißen, die Welt geht unter? Hat er das wirklich so gesagt? Oder hat er es anders formuliert, zum Beispiel: Die Welt ist am Ende? Oder: Mit der Welt ist es aus und vorbei oder so?«
    »Nein. Die Welt geht unter, hat er gesagt.«
    Ich trommelte wieder gegen meine Schneidezähne. Die Welt geht unter.
    »Und dieser … Weltuntergang hat irgendwie mit mir zu tun, nicht wahr?«
    »Ja. Du wärst der Schlüssel, sagt mein

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