Hard Man
der Ellbogen selbst, sonst hätte es saumäßig wehgetan. Und obwohl er relativ stark blutete, rann das Blut eher, als dass es sprudelte, was ein gutes Zeichen sein musste. Sein Arm wurde zwar taub, aber sterben würde er nicht.
May schrie. Ein fürchterlicher Lärm. Viel schlimmer als die Schüsse. Und selbst wenn die Nachbarn die Schüsse für Böller gehalten hatten, ein Schrei war ein Schrei. Wallace wunderte sich, dass May nicht an dem Pulverdampf würgte. Er war ziemlich dicht. Stieg ihm in die Augen. Brannte.
Er richtete den Revolver auf sie. »Sei still«, sagte er. »Es ist mir verflucht ernst, May.« Und er musste auch so ausgesehen haben, denn sie verstummte auf der Stelle.
Er wandte sich an Jacob. Taxierte ihn von oben bis unten. Ein lächerlicher alter Trottel mit verbundener Nase und kotzegelben halbmondförmigen Blutergüssen unter den Augen. Wallace empfand beinahe Mitleid. Er krümmte die Finger. Der Arm war taub, aber die Finger ließen sich noch bewegen, obwohl er sich nicht sicher war, wie lange noch. Er musste die Wunde versorgen, die Blutung möglichst gering halten. Er bückte sich und hob Norries Revolver auf. »Da schau her«, sagte er und zeigte Jacob beide Waffen. »Ein .38er. Genau wie meiner.«
Jacob wirkte ratlos.
»Ist das die Waffe, die Rog die Kniescheiben weggeschossen hat?« Wallace lachte. »Ist sie doch, oder?«
Jacob schaute auf die beiden Revolver, starrte sie an, als würden sie zu ihm sprechen, ihm verraten, dass Wallace log.
»Wieso sollte ich lügen?«, sagte Wallace. »Wenn ich’s gewesen wäre, würd ich’s mit Freuden zugeben.«
»Aber das ist doch nicht möglich«, sagte Jacob, dem endlich die Wahrheit dämmerte. »Norrie … Er ist schließlich mein Freund.«
»Schöner Freund«, sagte Wallace. »Wach auf.«
»Nein«, sagte Jacob. »Nein.«
»Wie du meinst.«
Es war Wallace schnuppe, ob Jacob ihm glaubte oder nicht. So oder so musste er sich darauf konzentrieren, was er mit den beiden alten Trotteln jetzt machen sollte. Die Schmerzen waren bei der Entscheidung nicht gerade hilfreich. Norrie war in die Brust geschossen und würde wahrscheinlich sterben. Jacob war blass wie ein steifes Laken und sah aus, als würde er jeden Moment umkippen.
Wallace hatte nicht vor, Jacob umzubringen. Er hatte auch nicht vorgehabt, Norrie umzubringen, doch er hatte May zeigen müssen, dass er es ernst meinte. Und Norrie hatte es verdient. Jacob war ein alter Furz, aber gefährlich war er nicht. Trotzdem, wenn Wallace ihn nicht umbringen wollte, musste er ihn irgendwo einsperren, bis er mit May fertig war.
Der Besenschrank hinter Norrie wirkte einladend.
»Was ist da drin?« Wallace zeigte darauf und schaute May an. Sie war in Ordnung, schrie nicht. Sie zitterte allerdings ein bisschen. Die Hände klammerten sich um die Handtasche und kneteten sie.
»Nur ein Schrank«, sagte sie.
Norrie stöhnte. Immer noch Leben in dem alten Wichser.
»Wieso ist er abgeschlossen?« Wallace blickte zu Jacob, dann wieder zu May.
»Anders bleibt die Tür nicht zu«, sagte sie.
»Stimmt das?«, fragte Wallace Jacob.
Jacob wollte etwas sagen, aber genauso gut hätte ihm eine Faust im Mund stecken können, so viel Sinn ergab das, was er rausbrachte.
»Ja oder nein, Jacob«, sagte Wallace.
Jacob nickte.
»Schieb deinen Kumpel von der Tür weg«, befahl Wallace ihm. Jacob starrte ihn an.
Wallace wiederholte den Befehl.
Jacob rührte sich immer noch nicht.
Wallace richtete den Revolver auf ihn, und Jacob blinzelte und schlurfte zu Norrie hinüber. Er packte Norrie am linken Arm und zog ihn von dem Schrank weg. Norrie stöhnte wieder, laut. Jacob beachtete ihn nicht und zog weiter.
»Hilf ihm, May«, sagte Wallace. »Ich bin nicht…«, sagte May. »Jetzt mach schon, verflucht!«
May trat zu Norrie, wobei sie, so gut es ging, der Blutlache auf dem Boden auswich, packte Norries anderen Arm, und Vater und Tochter zerrten Norrie von der Tür weg.
»Und jetzt mach auf«, sagte Wallace zu May.
May drehte den Schlüssel und klappte die Tür auf.
Jawoll, es war nur ein Schrank. Ein geräumiger Wandschrank, in dem Krimskrams untergebracht war. Ein Bügelbrett, Staubsauger, Trittleiter. Von seinem Standort aus konnte Wallace nicht viel sehen, doch es war unwahrscheinlich, dass auf einem der Regale eine Uzi lag. »Packt ihn da rein«, sagte er.
Jacobs Gesicht war rot angelaufen, er murmelte etwas vor sich hin, hörte aber nicht auf zu meckern. Norrie stöhnte nämlich wieder, und es klang
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