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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Stelle. Allzu viele Kinder hatte sie da nicht gesehen. Gar keine, um genau zu sein. Aber sie fragte sich, ob man nicht früh, sagen wir gleich nach der Arbeit, gegen sechs oder sieben, eines einschmuggeln konnte. Es wäre doch eine Schande gewesen, ein Kind zu haben, das aussah wie eine Mini-Madonna und ihm nicht ein bisschen richtiges New Yorker Leben zu zeigen.
    »Willst du tanzen gehen?«
    »Ich will in den Zoo!«, sagte das Mädchen bestimmt.
    »Also, der Zoo ist zu, Schätzchen. Wir können morgen oder so hingehen.«
    »Ich will die Tiere sehen.«
    »Morgen oder übermorgen.«
    »Nein!« Courtney fing an zu schreien und rannte ins Comme des Garçons, wo sie das Eis in ein Gestell mit Achthundert-Dollar-Anzügen schleuderte.
    Mit der Tagesstätte klappte es auch nicht.
    Rune rechnete aus, dass, wenn sie Courtney morgens um acht Uhr absetzte und abends um sieben abholte – die Mindestzeit, in der Piper Sutton von ihrer Mannschaft zu arbeiten verlangte – und dann zweimal die Woche einen Babysitter für die Nacht nahm, von ihrem Gehalt noch 108 Dollar im Monat übrig bleiben würden.
    Das kleine Mädchen verbrachte daher die halbe Woche in der Tagesstätte und die halbe mit ihr im Sender.
    Und als Piper Sutton Rune eines Abends zu einer Zeit, zu der alle anderen Feierabend machten, zu sich rief und das Neueste über die Boggs-Story zu hören verlangte ( »Sofort, Rune. Sofort, sofort, sofort!« ), musste Rune das kleine Mädchen bei Bradford Simpson zwischenparken, der die Sache sportlich nahm, obwohl sie aufgrund des verstohlenen Anrufs, den er tätigte, wusste, dass er eine Verabredung absagen musste, um ihr zu helfen. Es war klar, dass ihr in Kürze die Freunde ausgehen würden, wenn sie zu oft versuchte, ihre Babysitter kurzfristig zu buchen.
    Aber schließlich war es der Honig, der dem ganzen die Krone aufsetzte.
    Rune hatte den ganzen Donnerstag damit verbracht, Außenaufnahmen von dem Gebäude, vor dem Lance Hopper umgebracht worden war, und vom Tatort selbst zu machen. Sie hatte Courtney abgeholt, kurz bevor die Tagesstätte schloss, und ein Taxi rufen müssen, um zwanzig Kilo Ausrüstung und fünfzehn Kilo Kind auf das Hausboot zurückzubringen.
    Rune hatte sie vor der alten Motorola-Fernsehtruhe abgesetzt, den Zauberer von Oz eingelegt und war unter die Dusche gegangen.
    Courtney, die die Schwarz-Weiß-Sequenz, die in Kansas spielte, nicht mochte, lief herum, um etwas zum Spielen zu finden. Dabei entdeckte sie einen Topf Kleehonig, der auf dem Tisch in der Kombüse stand. Sie kletterte auf einen Stuhl und zog den Topf vorsichtig herunter, setzte sich dann auf den Boden und öffnete ihn.
    Courtney liebte Honig. Nicht so sehr wegen des Geschmacks als vielmehr, weil er so toll ganz langsam die Treppe hinunterfloss. Was einen Heidenspaß machte, aber noch besser war, wie sie damit Runes Videokassetten zusammenkleben konnte. Sie baute eine Mauer aus ihnen und tat so, als sei es die Burg der Bösen Hexe.
    Dann wurde in der Dusche das Wasser abgedreht, und Courtney kam der Gedanke, mit Honig zu spielen sei eine der Sachen, die sie eigentlich nicht machen sollte. Daher beseitigte sie die restlichen Beweise, indem sie den Honig in die Tasche mit der Ikegami-Kamera goss.
    Courtney schloss die Tür und schob den leeren Topf unter den Kaffeetisch. Im gleichen Augenblick kam Dorothy im knallbunten Oz an, und die Kleine setzte sich hin, um den Film zu betrachten.
    Rune war selbst überrascht, als sie beim Anblick der Kamera tatsächlich einen Schrei ausstieß. Sie versuchte zu schreien, dass die Kamera fünfzigtausend Dollar gekostet hatte, aber die Worte kamen nicht einmal aus ihrem Mund. Courtney schaute auf die Kamera herab, die vor Honig triefte, und fing an zu weinen.
    Dann fiel Rune auf die Knie und begutachtete die zerstörten Bänder. Sie wiegte die Kamera wie ein verwundetes Haustier.
    »O Gott, o nein …«
    »Oh-oh«, sagte Courtney.
    »Ich halt’s nicht aus«, keuchte Rune.
     
    Nur zwei Anrufe.
    Sie stellte erstaunt fest, dass man, wenn es um Kinder ging, ziemlich rasch durch die städtische Bürokratie gelangte. Die Beamtin, mit der sie sprach, sagte ihr, binnen einer halben Stunde könne ein Sozialarbeiter auf dem Weg zu ihr sein. Rune sagte, sie sollten sich keine Mühe machen, sie würde morgen zu ihnen ins Büro kommen. Die Frau nannte Rune die Adresse.
    Am nächsten Morgen packte sie die wenigen Besitztümer des Mädchens zusammen, und sie gingen zur U-Bahn. Nach dreimal Umsteigen verließen sie

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