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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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den Zug an der Station Bleecker Street und stiegen zur Oberfläche.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte Courtney.
    »Wir besuchen ein paar nette Leute.«
    »Ach. Wo? Im Zoo?«
    »Ich bin sicher, die gehen mit dir in den Zoo.«
    »Gut.«
    Das Gebäude sah aus wie eine große, schmutzige Fabrik in zehn Grautönen – ein Bau aus einem Film von 1930 über einen toughen, geschniegelten Fabrikanten, der lernt, dass ein Leben mit blonden Flittchen und Martinis recht unbefriedigend sein kann.
    Aber wenn Rune noch einmal darüber nachdachte, fand sie, dass das Gebäude am LaGuardia Place eher wie ein Gefängnis wirkte. Fast hätte sie kehrtgemacht. Aber dann überließ sie sich der freien Assoziation: Gefängnis, Randy Boggs … und stellte fest, dass sie die Pflicht hatte, die Story fertig zu stellen und ihn zu retten. Und dadurch, dass Courtney ihr Leben teilte, war das unmöglich. Sie nahm die vom Honig immer noch leicht klebrigen Finger des Mädchens von der rechten in die linke Hand und führte sie zu dem gedrungenen, düsteren Gebäude.
    Rune blickte auf die Granitplatte über dem Eingang des Gebäudes, auf der sehr gut hätte eingemeißelt stehen können: Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.
    Anstatt: Amt für Kinderfürsorge New York.
    Rune und Courtney gingen langsam durch das Hauptbüro, durch grüne Flure, über grünes Linoleum. In fluoreszierendem Licht, das anfangs grellweiß aussah, aber grün wurde, wenn es auf Haut traf. Es erinnerte sie an den Farbton im Büro von Anwalt Megler. Ein Wächter zeigte auf eine dünne schwarze Frau, die in einem roten Leinenkostüm hinter einem Schreibtisch saß, auf dem sich alte Akten und leere Pappbecher stapelten.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau.
    »Sind Sie Mrs. Johnson?«
    Die Frau lächelte, und sie schüttelten sich die Hände. »Nehmen Sie Platz. Sie sind …«
    »Rune.«
    »Richtig. Sie haben gestern Abend angerufen.« Papier erschien, und Beamtin Johnson zückte einen BIC-Kugelschreiber. »Wie ist Ihre Adresse?«
    »West Village.«
    Johnson hielt inne. »Könnten Sie das bitte etwas genauer sagen?«
    »Eigentlich nicht. Es ist schwer zu erklären.«
    »Telefonnummer?«
    »Nein«, sagte Rune.
    »Wie bitte?«
    »Ich hab kein Telefon.«
    »Ach.« Bisher hatte sie nichts geschrieben. »Ist das Courtney?«
    »Ja.«
    »Wir gehen in den Zoo«, sagte das kleine Mädchen.
    »Die Sache ist die: Ich habe eine Mitbewohnerin, ich meine, ich hatte eine Mitbewohnerin – ihre Mutter –, und ich kenne ihren Nachnamen nicht, und sie hat mich mit Courtney sitzen lassen. Sie ist einfach verschwunden – können Sie das begreifen? Ich meine, ich bin aufgewacht, und weg war sie.«
    Johnson runzelte bekümmert die Stirn, einen Moment lang mehr Mutter als Beamtin.
    »Jedenfalls ist sie nach Boston gefahren und hat …« Rune senkte die Stimme. »… Sie wissen schon, wen, im Stich gelassen. Und ich, also, was soll ich machen? Sehen Sie, es würd mir ja nichts ausmachen, wenn ich nicht arbeiten würde, was ich normalerweise mache – nicht arbeiten, meine ich –, nur jetzt gerade …«
    Johnson hatte aufgehört zu schreiben. »Klarer Fall von Verlassen. Kommt öfter vor, als man denken sollte.«
    »Rune, ich hab Hunger«, sagte Courtney.
    Rune wühlte in ihrer Schultertasche und holte eine Dose Sardinen heraus. Johnson beobachtete sie. Ein Dosenöffner erschien, und Rune fing an zu kurbeln. »Ich fand’s besser, als sie noch den kleinen Drehschlüssel hatten.« Rune schaute eine verwunderte Mrs. Johnson an. »Die kennen Sie doch, die Drehschlüssel. An den Dosen. Wie man sie in Zeichentrickfilmen immer sieht.«
    »In Trickfilmen?«, fragte Johnson. »Meinen Sie, die sind gut für sie?«
    »In Wasser eingelegt. Öl würd ich ihr nicht geben.« Sie hielt die Dose hoch.
    Rune stopfte Courtney eine Serviette in den Kragen und gab ihr eine Plastikgabel. »Jedenfalls ist ihre Mutter weg, und ich weiß nicht, wie ich sie finden soll.«
    »Haben Sie überhaupt keine Vorstellung? Keinen Nachnamen?«
    »Nee. Ich weiß nur, dass sie in Boston ist.«
    »Bohdon.«
    »In Fällen wie diesen«, sagte Johnson, »wird normalerweise die Polizei eingeschaltet. Die nimmt dann Kontakt zur Polizei in Boston auf und startet eine Standard-Vermisstenfahndung. Vorname C-L-A-I-R-E?«
    »Genau. Ich hab einfach keinen Hinweis. Claire hat alles mitgenommen. Außer ihrem ekelhaften alten Poster und ein bisschen Unterwäsche. Davon könnten Sie vielleicht Fingerabdrücke nehmen. Aber

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