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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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nicht durchbrechen.
    Randy Boggs wartete in der Gefängnisturnhalle auf Severn Washington, als ihm der Geruch des Frühlings in die Nase stieg. Und, verflucht, er kam schlecht drauf davon. Er war nie auf dem College gewesen. Schule bedeutete für ihn Highschool, und diese verrottete Gefängnisturnhalle erinnerte ihn gewaltig an die in der Washington Irving High, wo er, vor zwanzig Jahren, am Barren geübt oder sich abgequält hatte, um an den Ringen in den Kreuzhang zu kommen, und dann hing da, rums, so ein Geruch in der Luft, der bedeutete, dass die Schule bald vorbei war und dass der Sommer vor ihm läge – zusammen mit ein paar Wochen reiner Freiheit, bevor er den Job im Lagerhaus von Kresge antreten würde.
    Verdammt, was für einen Duft der Frühling hat …
    Er hing einem Dutzend Erinnerungen nach, die der Duft ausgelöst hatte. Kleine Mädchentitten und heißes Gras und das kettensägenartige Rattern eines 350-Chevy-Motors. Und Bier. Mann, er liebte Bier. Heute ebenso wie damals, obwohl er wusste, dass es keinen besseren Geschmack gab als den Geschmack von Bier, wenn man Teenager war.
    Randy Boggs warf einen Blick quer durch die Turnhalle und konnte die heranstürmende Gestalt von Severn Washington sehen, hundertzehn Kilo Kampfgewicht, ein breites Gesicht auf einem Hals, dick wie Boggs’ Oberschenkel.
    Washington hatte gelacht und Boggs, kurz nachdem sie sich kennen gelernt hatten, erzählt, er hätte in seinen ganzen dreiundvierzig Jahren noch nie einen weißen Freund gehabt. Um Vietnam war er herumgekommen, weil er schlecht sah, und weit weg von zu Hause war er nie gekommen, was im Fall seiner Familie hieß, weg von der 137th Street, wo es ohnehin nicht viele Weiße gab, ganz zu schweigen von einem, mit dem er hätte befreundet sein können.
    Deshalb war es Washington auch gar nicht wohl gewesen, als Boggs ihn eines Tages im Hof angesprochen und einfach drauflosgequatscht hatte mit seiner sanften, schüchternen Stimme. Zuerst, hatte Washington ihm später erzählt, hatte er gedacht, Boggs wolle sein Maskottchen werden, sein Liebhaber, dann war Washington zu dem Schluss gekommen, Boggs sei auch nur so ein verrückter Weißarsch, vielleicht mit Methadon oder Angel Dust zugedröhnt. Als Boggs jedoch immer weiterquasselte, komisch und mit mehr Sinn und Verstand als die meisten Drinnen, wurden Washington und Boggs Freunde.
    Boggs erzählte ihm, dass er ein paar Mal nach Raleigh und Durham gekommen war, und er erfuhr außerdem, dass Washingtons Familie aus North Carolina stammte, obwohl er selbst nie dort gewesen war. Washington wollte alles über den Staat hören, und Boggs freute sich, es ihm zu erzählen. Danach sprachen sie über Sylvia’s, Harlem, Dizzy Gillespie, Dexter Gordon, Eddie Murphy, Denzel Washington (nicht verwandt), kleinere und größere Gaunereien, Bier, Herumreisen, Trampen …
    Aber die Freundschaft zwischen den beiden hatte noch eine weitere Grundlage.
    Eines Tages hatte Washington Boggs im Hof ausfindig gemacht. »Weißt du, wieso du hergekommen bist und mich angesprochen hast?«
    »Nee, Severn, keine Ahnung. Wieso denn?«
    »Allah.«
    »Was soll ’n das sein?«, hatte Boggs gefragt.
    Der Riese hatte erklärt, Allah sei ihm im Traum erschienen und habe ihm aufgetragen, sich mit Boggs anzufreunden und ihn zu bekehren.
    Boggs spürte, wie er rot wurde. »Verdammt«, sagte er, »wenn das nicht das Verrückteste ist, was ich je gehört hab.«
    »Nein, Mann, so ist’s nun mal. Dein Arsch ist gerettet. Ich und Allah werden auf dich aufpassen.« Was Boggs für noch verrückter hielt, zumindest den Allah-Teil, aber ihm sollte es recht sein.
    Washingtons Job war allerdings von Anfang an nicht einfach. Boggs war Tierfutter hier in Harrison. Dürr, schüchtern, still, ein Einzelgänger. Er dealte nicht, er fickte nicht, er schlug sich auf keine Seite. Sofort unbeliebt. Die Sorte, die irgendwann ›versehentlich‹ tot endet – er passt zum Beispiel nicht auf, jagt sich einen 3/4-Zoll-Bohrer durch den Hals und verblutet, bevor es jemand bemerkt.
    Oder die Sorte, die es selbst erledigt. Den Gürtel nehmen sie einem vielleicht weg, aber wenn man im Gefängnis sterben will, dann kann man sich trotzdem umbringen, kein Problem.
    Aber Severn Washington war seiner Aufgabe gewachsen. Und als klar wurde, dass Boggs unter dem Schutz eines der frömmsten Muslime in ganz Harrison stand (der außerdem noch einer der kräftigsten war), als diese Neuigkeit in den Zellenblocks die Runde machte, wurde Randy Boggs

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