Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
weiß, was sie tut. Was deine andere Frage angeht, muss ich dich enttäuschen: Beth Israel hat alle möglichen Fonds, aber einen Haushaltsposten, der dafür vorgesehen wäre, Privatdetektive zu bezahlen, die nach den Kindern unserer Klienten suchen, gibt es natürlich nicht. Du wirst dich selbst entscheiden müssen, ob du den Fall übernimmst, mein Liebes.«
Ich hätte Karen Lennon und ihre alten Damen sausen lassen können – ja, sollen. Aber die Pastorin hatte sich sehr um Elton bemüht und auch mir damit geholfen. Drei Tage später nutzte ich eine Lücke in meinem Terminkalender und fuhr die Roosevelt Road hinaus, an den gigantischen neuen Bauten der Krankenhauskonzerne vorbei, zu dem eher schäbigen Lionsgate Manor. Es war ein älteres Gebäude von fünfzehn Stockwerken. Die beiden oberen Etagen waren geschlossene Abteilungen für Demenz- und Alzheimer-Patienten, darunter gab es Zimmer für betreutes Wohnen und Pflegeeinrichtungen. Insgesamt ein trostloser Ort: Irgendwann wurde man vom Fahrstuhl mal nach oben gefahren und den Weg nach unten wird man definitiv in einer Kiste antreten.
Der Wachmann in der Pförtnerloge gab mir eine ausführliche Beschreibung, wo ich Karen Lennons Büro finden würde, aber das Gebäude war ein so großes Labyrinth, dass ich mich mehrfach verlief und Leute fragen musste, die mir entgegenkamen. Zumindest schien aber jeder zu wissen, wo ihr Büro war. Als Seelsorgerin schien sie recht erfolgreich zu sein.
Lionsgate Manor war sauber, aber die letzte Renovierung lag schon sehr lange zurück. Die Farbe an der Wand zeigte Risse, und die Gehgestelle, Krücken und Stöcke der Bewohner hatten Spuren im brüchigen Linoleum hinterlassen. Nur wenige Glühbirnen fehlten oder waren kaputt, aber das Management hatte nur ganz schwache Birnen einsetzen lassen, sodass selbst an diesem hellen Sommertag im Inneren nur ein trübes Grün dominierte. Ich fühlte mich wie am Grund eines schmutzigen Ozeans.
Als ich Karen Lennons Büro schließlich fand, war sie gerade im Gespräch mit einer älteren Angestellten, brach die Unterhaltung aber schnell ab, um mich zu Ella Gadsden zu bringen. Im Aufzug erwähnte ich Max Loewenthal, und die junge Frau strahlte. »Die meisten Krankenhausdirektoren denken nur an den Profit. Aber Max gehört zu den Leuten, die noch wissen, dass es eigentlich darum geht, leidenden Menschen zu helfen.«
Im neunten Stock stiegen wir aus. Karen führte mich einen langen Korridor hinunter zur Wohnung von Ella Gadsden. »Miss Ella kann ein bisschen ruppig sein«, sagte sie. »Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Sie hat sehr viel durchgemacht, und das ist so eine Art Schutzschicht.«
Schließlich klopfte sie an eine Tür. Nach einigen Minuten hörten wir die schweren, stampfenden Schritte eines Menschen, der mit einem Stock ging, dann kratzten mehrere Schlösser, und die Tür öffnete sich. Miss Ella war eine große Frau, und trotz des Krückstocks hielt sie sich kerzengerade. Obwohl es ein gewöhnlicher Nachmittag war, trug sie Strümpfe und ein streng geschnittenes blaues Kleid.
»Das ist Ms Warshawski«, sagte die Seelsorgerin. »Sie ist hier, um mit Ihnen über Ihren Sohn zu sprechen, Miss Ella.«
Miss Ella nickte fast unmerklich mit dem Kopf, aber meine ausgestreckte Hand ignorierte sie.
Karen Lennon stellte ein paar Fragen nach dem Zustand von »Miss Claudia«, offenbar der Schwester meiner künftigen Gesprächspartnerin, dann zog sie sich zurück und lief eilig den Gang hinunter. »Rufen Sie mich an, und sagen Sie mir, wie Sie zurechtkommen«, rief sie, und es blieb offen, ob die Aufforderung Miss Ella galt oder mir.
Schon beim Hereinkommen machte ich einen Fehler. Das winzige Apartment war vollgestopft mit Erinnerungsstücken und Nippes – Hummelfiguren, Vasen, Glastieren und einer großen Büste von Martin Luther King –, und als ich mich zwischen all diesen Sachen hindurchzwängte, stieß ich an einen wackeligen kleinen Tisch voller Gazellen und Zebras aus Glas. Es fiel zwar nichts um, aber ich hörte, wie Miss Ella verärgert vor sich hin knurrte.
»Elefant im Porzellanladen«, glaubte ich zu verstehen.
Nur ein kleiner runder Tisch in der Küchenecke war nicht mit irgendwelchen zerbrechlichen Gegenständen bedeckt. Hier thronte stattdessen ein gewaltiger Korb mit dicken, farbigen Wollknäueln, aus denen die Stricknadeln wie Stachelschweinborsten herausstachen.
Links und rechts neben dem an der Wand befestigten Fernseher hingen große Porträts von Martin
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