Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
Luther King und Barack Obama, und zwischen den Hummelfiguren entdeckte ich Bilderrahmen mit Sinnsprüchen. Versuche jeden Tag, den ER dir schenkt, im Sinne deines Herrn zu leben , las ich. Und auch die letzten Zeilen von Spuren im Sand fehlten nicht: In Zeiten des Leidens und der Prüfungen siehst du nur eine Fußspur, da habe ich dich getragen .
Die frommen Sprüche schienen nicht recht zu Miss Ellas verbittertem Mund und ihren groben Worten zu passen, aber vielleicht war sie etwas milder, wenn sie allein war. Sie zeigte auf einen Holzstuhl neben den Wollknäueln, zog dann einen zweiten harten Stuhl für sich selbst heran und setzte sich mir gegenüber. Als ich ihr dabei helfen wollte, warf sie mir ein Blick zu, mit dem sie ein Sofa hätte aufschlitzen können, und sagte, ich solle mich hinsetzen.
In den ersten Minuten gab sie mir nur sehr knappe Antworten auf meine Fragen.
»Ich höre, Sie suchen nach Ihrem Sohn?«
»Ja.«
»Wie lautet sein Name?«
»Lamont Emmanuel Gadsden.«
»Wie alt ist er?«
»Einundsechzig.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Am fünfundzwanzigsten Januar 1967.«
Ich war so verblüfft, dass ich erst einmal verstummte. Kein Wunder, dass Karen Lennon mir das nicht hatte sagen wollen. Das war keine lange Zeit, das war eine Ewigkeit.
Schließlich fragte ich, ob Miss Ella denn zum Zeitpunkt seines Verschwindens nach ihm gesucht habe. Sie nickte grimmig, gab aber keine weitere Erklärung.
Ich versuchte, ein Seufzen zu unterdrücken. »Wie haben Sie denn damals nach ihm gesucht?«
»Wir haben mit seinen Freunden gesprochen. Sie haben gesagt, er wäre einfach verschwunden.« Sie presste ihre Lippen aufeinander. Dann fügte sie hinzu: »Ich mochte diese Freunde nicht. Es war nicht einfach für mich, mit ihnen zu reden. Sie zeigten keinen Respekt. Aber ich glaube nicht, dass sie gelogen haben.«
»Und haben Sie damals auch eine Vermisstenanzeige erstattet?«
»Wir sind zur Polizei gegangen.« Sie betonte die letzte Silbe des Wortes. »Da standen wir, zwei Christenmenschen in ihren besten Sonntagskleidern. Und sie haben uns behandelt wie Neger in einer Minstrel-Show.«
»Mein Vater war Polizist«, platzte es aus mir heraus.
»Was wollen Sie damit sagen?« Miss Ellas Kiefer mahlten auf ihren falschen Zähnen, als wären es Nüsse. »Dass bei der Polizei ehrliche, höfliche Männer arbeiten, die aufstehen und ›Yes, Ma’am‹ sagen, wenn eine Schwarze aufs Revier kommt und Hilfe sucht?«
»Nein, Ma’am, natürlich nicht«, sagte ich leise. »Ich dachte nur, Sie sollten es wissen, damit Sie später nicht denken, ich hätte Ihnen etwas verheimlicht.«
Miss Ellas Lippen zogen sich spitz zusammen. Die Falten der Verbitterung rund um ihren Mund waren tief. Und das hatte wohl auch seinen Grund: Ich konnte mir vorstellen, wie es 1967 zugegangen war auf dem South-Side-Polizeirevier, als alle Polizisten weiß waren und rassistische Beleidigungen zum Alltag gehörten. Aber mein Vater war nicht so gewesen. Es ärgert mich immer, wenn Leute alle Polizisten als »Schweine« oder »Unmenschen« abtun. Aber ich war nicht gekommen, um mit Miss Ella zu streiten.
»Sie haben ›wir‹ gesagt. Heißt das, Sie und Ihr Mann?«
»Nein, meine Schwester und ich. Sie ist zu mir gezogen, als mein Mann gestorben war. Lamont war damals dreizehn, und von da an hat er sich auf der Straße herumgetrieben. Ich habe immer gesagt, dass er auf die schiefe Bahn geraten ist, weil meine Schwester ihn so verwöhnt hat. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Meine Schwester ist krank, zu krank, um noch lange zu leben. Sie will unbedingt wissen, was aus ihm geworden ist. Es ist ihr ein großes Anliegen, das ihr sehr nahe geht. Das ist der einzige Grund, warum ich die Sache nach all dieser Zeit wieder aufrolle. Pastorin Karen sagt, Sie hätten die besten Empfehlungen.« Nichts in Miss Ellas Stimme erweckte den Eindruck, dass sie die Ansichten ihrer Seelsorgerin teilte.
»Das ist sehr freundlich von ihr. Meine Honorarsätze hat sie Ihnen genannt?«
Miss Ella stützte sich mit den Armen hoch und stand auf. Langsam bewegte sie sich durch das Nippes-Labyrinth zu einer altmodischen Anrichte. Sie bückte sich mit einem hörbaren Ächzen und holte eine kleine Kassette hervor. Dann zog sie einen kleinen Schlüssel heraus, den sie an einer Halskette unter dem Kleid trug, und schloss die Kassette auf.
»Die Lebensversicherung meiner Schwester hat einen Wert von zehntausend Dollar. Die Beerdigung wird ja nicht so viel
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