Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
kriegt man einen neuen Klienten dafür. Wer sagt denn, dass wir erst im Himmel unsere Belohnung erhalten? Als ich sie in mein Büro führte, sah sie sich unsicher um, so wie fast alle Leute, die ihre Vorstellung von Privatdetektiven aus Büchern von James Ellroy und Filmen mit Humphrey Bogart beziehen.
»Was soll ich denn für Sie ermitteln, Ms …?«
»Lennon. Mein Name ist Karen Lennon. Aber für mich sollen Sie gar nichts ermitteln, sondern für eine von meinen alten Ladies.« Sie setzte sich auf die Couch, schlug die Beine übereinander und faltete ihre Hände auf ihren wohlgeformten, runden Knien. »Ich bin eine Geistliche, eine Seelsorgerin. Ich arbeite im Lionsgate Manor, einem Altersheim von Beth Israel, und meine Klientinnen sind größtenteils alte Frauen. Und eine meiner Ladies … Also, ihr Sohn ist verschwunden. Sie und ihre Schwester haben ihn aufgezogen. Sie wollen ihn unbedingt finden, damit sie in Ruhe sterben können. Das heißt, sie müssen ihn finden, sonst finden sie keine Ruhe. Ich habe mir lange überlegt, was ich tun kann, um ihnen zu helfen. Als ich gesehen habe, wie Sie sich um diesen Obdachlosen gekümmert haben, und dann erfahren habe, dass Sie Privatdetektivin sind … Also ich dachte, Ihnen kann ich die beiden alten Frauen ruhig anvertrauen, Sie behandeln sie bestimmt gut und richtig.«
»Wissen Sie, ich will mich ja vor der Arbeit nicht drücken, aber die Polizei hat doch eine ganze Abteilung für solche Fälle.«
»Meine Ladies sind Afro-Amerikanerinnen und schon sehr alt«, sagte Karen. »Sie haben böse Erinnerungen an die Polizei von Chicago. Eine Privatdetektivin wäre in ihren Augen nicht so belastet.«
»Ich kann nicht kostenlos arbeiten wie die Polizei«, sagte ich. »Oder die Heilsarmee – die haben auch einen Suchdienst.«
»Die Heilsarmee hat zwar die Daten aufgenommen, aber sie sagen, Miss Ellas Sohn wird schon zu lange vermisst, als dass sie da noch viel tun könnten.« Karen zögerte. »Miss Ella lebt von der Sozialfürsorge, sie kriegt nicht mal eine Pension von der Telefongesellschaft, für die sie jahrzehntelang irgendwelche Apparate zusammengeschraubt hat. Ich habe im Internet nach Ihnen gesucht und gesehen, dass Sie auch für viele soziale Projekte arbeiten – Frauenhäuser, Vergewaltigungsopfer, Familienplanung – ich dachte …« Wieder eine Pause. »… vielleicht könnten Sie ja pro bono arbeiten, wenn Ihre Klienten wirklich sehr arm sind.«
Ich presste die Lippen zusammen. »Manchmal kann ich umsonst arbeiten«, sagte ich, »aber nicht bei der Suche nach einem Vermissten. Vor allem nicht, wenn er schon lange vermisst wird. Wie lange ist die Sache denn her, wenn sogar die Heilsarmee sich nicht darum kümmern will?«
»Die Einzelheiten kenne ich nicht«, sagte Karen Lennon und schaute auf ihre Hände. Sie war keine gute Lügnerin. Sie fürchtete wohl, ich würde den Fall nicht annehmen, wenn sie es mir sagte. »Miss Ella kann Ihnen das alles viel besser erklären. Sie hat so ein schweres Leben gehabt. Es würde ihr sicher auf dem letzten Teil ihrer Reise sehr gut tun, wenn sie merkte, dass ihr ernsthaft jemand helfen kann.«
»Irgendjemand muss mein Honorar zahlen«, sagte ich mit fester Stimme. »Selbst wenn ich nicht den vollen Betrag nehme, der hundertfünfzig Dollar pro Stunde beträgt. Bei der jetzigen Wirtschaftslage kann ich es mir nicht leisten, Zeit und Geld einfach die Toilette runterzuspülen. Hat Lionsgate Manor nicht irgendwelche Mittel für solche Fälle?«
Karen wich meiner Frage aus. »Vielleicht können Sie Miss Ella ja jemanden nennen, den sie sich leisten kann«, sagte sie. »Sie müssten bloß einmal mit ihr reden. Das kann doch nicht schaden, oder?«
4
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
Am Abend erzählte ich Lotty von der Geschichte: Wie ich Elton gerettet hatte und wie Karen Lennon in meinem Leben aufgetaucht war. Ich fragte sie, was sie über Lionsgate Manor wüsste. Lotty ist die leitende Frauenärztin im Beth Israel und außerdem meine beste Freundin.
Lotty hielt sich bedeckt. »Über unsere Tochtergesellschaften weiß Max sehr viel besser Bescheid«, sagte sie. Max Loewenthal, Lottys langjähriger Freund und Geliebter, war der Direktor des Beth-Israel-Hospitals und saß im Aufsichtsrat der Beteiligungsgesellschaften.
Am nächsten Tag rief sie mich an und teilte mir mit, was sie von Max in Erfahrung bringen konnte. »Karen Lennon sitzt im Ethik-Komitee von Beth Israel. Sie ist noch sehr jung, sagt Max, aber sie
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