Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
meiner Wohnung gesucht hatten! Das Bild des Mörders von Harmony Newsome. Und das war auch der Grund, warum Petra unsere früheren Wohnungen hatte sehen wollen. Sie wollte wissen, ob Tony vielleicht dieses Beweisstück aufbewahrt hatte: ein Bild, das zeigte, wer Harmony Newsome umgebracht hatte. War darauf sein Bruder zu sehen? Wäre Tony so weit gegangen, dass er Beweismittel stahl und sie bei sich zu Hause versteckte?
»Was ist denn mit Lumumba passiert?«, fragte ich und hatte das Gefühl zu platzen. Wie konnte ich ruhig Fragen stellen, wenn in meinem Inneren alles kaputt war?
Rivers schüttelte den Kopf. »Das weiß nur Johnny. Es ist während des Schneesturms passiert, so viel kann ich Ihnen sagen.«
»Sie waren in der Nacht vor dem Blizzard im Waltz Right Inn«, sagte ich.
Rivers nickte unmerklich. »Lamont kam mit Johnny herein, genau wie Rose Hebert gesagt hat. Sie sind ins Hinterzimmer gegangen und haben etwas besprochen. Dann kamen sie heraus zu uns anderen. Lamont ist gegen zwei Uhr morgens gegangen. Das war das letzte Mal, dass wir ihn gesehen haben.«
»Ist Johnny mit ihm gegangen?«
»Nein. Und sie haben auch nicht gestritten. Glauben Sie mir, wenn Johnny geplant hätte, Lamont umbringen zu lassen, hätten wir es gewusst. Aber wir hatten Angst wegen Kimathi. Wir wussten ja nicht genau, was passierte, aber dass es nichts Gutes war … Ich glaube, Johnny und Lamont haben darüber geredet. Über die Bilder, die Lamont angeblich hatte.«
»Glauben Sie, dass Lamont tot ist?«
»Ich bin sicher, dass Lamont tot ist«, sagte Rivers. »Es gab kein Versteck für ihn, das wir nicht gekannt hätten. Miss Ella hatte Verwandte in Louisiana. Die hätten ihn aufgenommen. Aber das hätten wir erfahren. Wenn irgendjemand weiß, was aus Lamont geworden ist, dann Johnny. Ich hab damals gedacht, Johnny hätte selbst Dämonen gesehen, als der Schnee endlich weg war und wir alle wieder herauskrochen. Nach dem Schneesturm hat er nie mehr erlaubt, dass jemand in seiner Gegenwart den Namen Lamont erwähnte.«
Ich rieb mir die Stirn. »Was könnte ich Johnny Merton bloß anbieten, damit er mit mir redet? Er möchte, dass er ins Innocence-Programm aufgenommen wird, aber ehrlich gesagt –«
»Das, wofür er im Knast sitzt, hat er wahrscheinlich zum größten Teil auch getan. Aber Lamont Gadsden hat er nicht umgebracht. Auf gar keinen Fall.«
Ich suchte in der Handtasche nach einem Taschentuch, bis mir einfiel, dass es ja die Tasche aus dem Laden war. Der Maschinist half mir aus. Er zog ein Stofftaschentuch heraus und sah zu, wie ich mir das Gesicht und die Hände damit abwischte. Wir wussten alle vier, was ich Johnny Merton anbieten konnte: die Antwort auf die Frage, wer Harmony wirklich umgebracht hatte; die Antwort auf die Frage, wer Lamont umgebracht hatte und wo seine Leiche war. Und die Beweise dafür.
Mein Zusammenbruch bei Kimathis Geschichte hatte die Atmosphäre verändert. Rivers und seine Freunde waren zwar nicht direkt auf meiner Seite, aber ich war auch kein Feind mehr. Ich war auf Bewährung, gewissermaßen.
Ich betrachtete das Taschentuch, das ich schmutzig gemacht hatte. »Das bringe ich Ihnen gewaschen zurück«, sagte ich. »Aber vorher muss ich noch viel tun. Sie müssen Kimathi hier wegschaffen. Dornick weiß, wo er ist, und er könnte hier mühelos einbrechen. Kimathi muss irgendwohin, wo kein Mensch nach ihm sucht. Und Sie müssen sehr darauf achten, dass Sie nicht beschattet werden, wenn Sie ihn woandershin bringen. Die sind sehr raffiniert und haben viel Geld.«
»Ich hab eine Schrotflinte und war in Vietnam«, sagte Rivers. »Ich kann schon auf mich aufpassen.«
»Nein, können Sie nicht. Dornick hat so viel Feuerkraft, dass das Gemetzel am Hamburger Hill daneben wie eine Tortenschlacht aussieht.«
»Hör auf sie, Curtis«, sagte der Holzfäller leise. »Das ist nicht der richtige Moment für einen Egotrip.«
Der Maschinist nickte. »Wir nehmen Kimathi jetzt gleich mit. Wenn Sie ihn brauchen, können Sie Curtis fragen. Je weniger Sie wissen, desto besser, nicht wahr?«
Er wandte sich an Kimathi und begann mit ihm zu reden. Aber der wollte nicht ohne Rivers weggehen. Ich hätte schreien können. Ich wollte ihn schleunigst hier weg haben, ehe Dornick oder sonst jemand auftauchte.
Ich ging in Richtung des Ausgangs und merkte plötzlich, dass ich die rote Handtasche immer noch in der Hand hatte. Ich kehrte um und stellte sie auf die Theke. »Die Tasche ist offensichtlich sehr anhänglich«,
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