Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

zu sehen. Schließlich war es ja seine Kamera gewesen. Er hatte ein paar Bilder von der Demonstration gemacht, darunter eines, dass die Spitze des Marsches zeigte. Martin Luther King war deutlich zu erkennen. Ganz in seiner Nähe marschierte Johnny.
    »Das wird wahrscheinlich ein Sammlerstück«, sagte ich leise zu Karen. »Wenn all das vorbei ist, kann es Miss Ella vielleicht verkaufen, um sich das Leben ein bisschen leichter zu machen.«
    Als Nächstes sahen wir Harmony Newsomes begeistertes junges Gesicht. Sie ging Arm in Arm mit einer ernst dreinblickenden Nonne. »Schwester Frances«, murmelte Karen.
    Lamont hatte auch die hassverzerrten Gesichter in der Menschenmenge fotografiert, die den Marsch beobachtete. Auf einem der Bilder sah man ein Schild: VERBRENNT SIE WIE DIE JUDEN , auf einem anderen eine Getränkedose, die einen Polizisten im Gesicht traf. Die Zuschauer, deren Gesichter undeutlich blieben, schienen darüber zu jubeln.
    Während die Gewalt zunahm, wurden die Bilder unschärfer – die Bewegung der Menge war zu viel für eine unsichere Hand mit einer kleinen Kodak. Aber jedes Bild erzählte einen erkennbaren Teil der Geschichte. Als Nächstes sahen wir einen Mann, der einen Gegenstand auf die Teilnehmer der Demonstration warf. Sowohl Wurfgeschoss als auch Gesicht des Werfers waren verschwommen. In mehreren Abzügen hatte Theo beides vergrößert. Das Wurfgeschoss blieb unscharf, aber das Gesicht des Mannes ließ sich vielleicht identifizieren.
    »Ich glaube, das ist Johnny Merton«, sagte ich, als ich den schlangenbedeckten Arm sah, der Martin Luther Kings Kopf herunterdrückte. »Dr. King ist damals von einem Ziegelstein getroffen worden. Vielleicht hat Johnny ihn davor zu schützen versucht.«
    Auf dem nächsten Bild war Harmony Newsome zu sehen, die sich den Kopf hielt. Ihre Hand bedeckte einen runden, weißen Gegenstand, der in ihrer Schläfe zu stecken schien. Auf dem nächsten Bild lag sie am Boden, und das runde weiße Ding war ihr aus der Hand gefallen. Theo hatte eine Ausschnittvergrößerung davon gemacht, und wir sahen, dass es ein Ball mit langen Nadeln darin war. Als Nächstes sah man einen Polizisten, der sich hingehockt hatte, um den Stachelball aufzuheben. Dieses und das nächste Bild waren sehr undeutlich, aber man konnte erkennen, dass er den Ball in seine Uniform steckte.
    Beim Anblick des nächsten Bildes stieß ich einen erschrockenen Schrei aus: Mein Onkel Peter, dessen Gesicht deutlich zu sehen war, zeigte – in einer Geste der Bewunderung? oder der Ermahnung? – mit ausgestrecktem Finger auf den Mann, der den Ball geworfen hatte und der jetzt in einer Art Siegestanz die Hände über dem Kopf schwenkte. Die Züge des Mannes waren undeutlich, aber Theo hatte sich große Mühe gegeben und zahlreiche Abzüge und Vergrößerungen gemacht. Das eckige Kinn und der dicke, lockige Haarbusch auf seinem Kopf passten zu Harvey Krumas, aber ganz sicher war ich mir nicht.
    »Dieser Ball«, sagte ich und ging zu dem Leuchttisch zurück, wo die Fotos mit der auf dem Boden liegenden Harmony Newsome zu sehen waren, »den würde ich gern so deutlich wie möglich haben. Und den Polizisten auch. Man sieht zwar das Gesicht nicht, aber sein Dienstabzeichen ist zu erkennen. Können Sie die so hinkriegen, dass man die Dienstnummer lesen kann?«
    Theo hatte das gesamte Bildmaterial in seinen Computer geladen. »Am Besten ist immer, wenn man sich das Negativ anschaut«, sagte er. »Aber vielleicht kann man’s im Computer rauskriegen.«
    Karen und ich standen hinter ihm und starrten gebannt auf den Bildschirm, während Theo an den Bildern arbeitete. Man erkannte jetzt, dass der Baseball mit Nadeln und Nägeln gespickt war. Und darunter sah man ein großes, geschwungenes F und ein kleines o. Nellie Fox .
    Ich sog erschrocken die Luft ein. Ich war schon ziemlich sicher gewesen, als ich das Bild zuerst gesehen hatte, aber es traf mich trotzdem hart, als meine Vermutung bestätigt wurde. Die Löcher in dem Baseball kamen nicht daher, dass mein Vater und Onkel Bernie den Ball zum Üben aufgehängt hatten. Die Ursache waren vielmehr lange Nägel, die jemand hineingesteckt hatte. Und dieser Jemand hatte den Ball auf die Demonstranten geworfen und Harmony Newsome an der Schläfe oder ins Auge getroffen. Und dann hatte jemand den Ball an sich genommen und die Nägel entfernt.
    Ich hatte eine schreckliche Ahnung, als Theo sich das Dienstabzeichen des Polizisten vornahm, der den Ball eingesteckt hatte. Als wir