Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
der Sender erschien sogar ein Foto von mir auf dem Bildschirm. Zum Glück ein altes Bild aus der Zeitung. Es war ziemlich unscharf und zeigte mich außerdem mit einem üppigen Lockenkopf. Mit dem jetzigen Bürstenschnitt war ich offenbar noch nicht fotografiert worden.
»Dich möchte ich auch gern befragen, Bobby«, murmelte ich. »Was hast du über die Ereignisse im Marquette Park gewusst? Hast du auch Beweismaterial unterschlagen?«
Ich zog meine Jeans und Karens T-Shirt an. Meine Unterwäsche hatte ich gestern Abend noch schnell gewaschen und über Nacht trocknen lassen, aber meine Socken war nicht mehr so richtig frisch. Deshalb beschloss ich, mir welche von Karen zu leihen, obwohl es mir etwas peinlich war, in ihrer Kommode zu stöbern. Dabei erwartete mich eine Überraschung. So sachlich und praktisch ihre Unterwäsche war, so verspielt waren die Socken. Ich ließ »Hello Kitty« und ein paar bunte Engel und Teufel in der Schublade liegen und wählte Lisa Simpson beim Seilspringen.
Ich war mir nicht sicher, ob es nicht zu riskant war, aber ich rief meinen Antwortdienst an, um meine Anrufe abzuhören. Es stellte sich heraus, dass die Medien schon wieder hinter mir her waren. Alle wollten mit der Privatdetektivin reden, die so dringend von der Polizei gesucht wurde.
Viel heikler waren die Anrufe meiner Klienten. Ich verbrachte fast eine Stunde damit, zwei Anwaltskanzleien davon zu überzeugen, dass ich nach wie vor die richtige Partnerin für sie sei. Bei der dritten wurde ich erst gar nicht durchgestellt, und ich konnte es den Leuten nicht einmal übel nehmen. Solange ich mich verstecken musste, war ich für niemanden von großem Nutzen.
Bernardo, der große orangefarbene Kater, erschien und kam zu dem Ergebnis, dass ich besser als gar keine Gesellschaft war. Er lief hinter mir her und strich mir so beharrlich um meine Beine, dass ich mehrfach Sorge hatte zu stolpern. Als ich die Laken vom Bettsofa zog und es wieder in eine Couch verwandelte, sprang er auf den Tisch und schnupperte an meiner Smith & Wesson.
Hastig nahm ich die Waffe weg, was aber nur dazu führte, dass Bernardo sich mit Miss Claudias Bibel befasste. Ich war so damit beschäftigt, die Waffe zu sichern und in mein Holster zu stecken, dass ich die Attacke viel zu spät bemerkte. Ich wurde erst aufmerksam, als das schwere Buch krachend zu Boden fiel.
»Bernardo!«, schrie ich. »Hör auf! Das Buch hat gestern Abend schon so viel mitgemacht. Wir bewahren es nur für jemanden auf.«
Leider war es bereits zu spät. Der Sturz hatte dem Buch nicht nur den Rücken gebrochen, sondern auch den Ledereinband gelöst. Aber erst als ich versuchte, das Leder auf der Vorderseite wieder über die dicke Pappe im Inneren des Einbands zu spannen, entdeckte ich, dass zwischen dem Leder und dem Buchdeckel ein schmaler Streifen mit Kleinbild-Negativen hervorragte.
Ich holte tief Luft und setzte mich so vorsichtig auf die Couch, als ob ich einen Eierkarton auf dem Kopf balancierte. Dann betrachtete ich den Einband genauer und sah, dass es zwei Filmstreifen waren, die in einer dünnen Papierhülle steckten. Ich ging noch einmal das Risiko ein, den Akku in mein Handy zu schieben, und fotografierte die Negative, wie ich sie in der Bibel gefunden hatte. Dann fotografierte ich meine Fingerspitzen, als ich sie behutsam herauszog.
Auf jedem Streifen waren zwölf Bilder. Auf dem Pergamentpapier stand in verblassten Blockbuchstaben: MARQUETTE PARK , 6. AUGUST 1966. Das musste Lamont Gadsden vor über vierzig Jahren geschrieben haben.
Ich hielt die Filmstreifen gegen das Licht, aber es war nichts darauf zu erkennen. Ich musste jemand sehr Zuverlässigen mit einer echten Dunkelkammer finden, der mir die Abzüge machte, ein gewöhnlicher Fotoladen war dafür ungeeignet. Die Cheviot Labs, die schon häufiger forensische Untersuchungen für mich durchgeführt hatten, waren der einzige Betrieb, der mir einfiel. Das Labor befand sich in den nordwestlichen Vororten, und um da hinzukommen, brauchte ich einen Wagen. Sollte ich es riskieren, zum Lionsgate Manor hinunterzufahren, um Morrells Honda zu holen? Einem Boten wollte ich die Negative auf keinen Fall anvertrauen.
Ich rief Karen an und sagte ihr, dass ich Morrells Wagen abholen würde. »Ich habe etwas gefunden, das ich ins Labor bringen muss. Ich werde es bei Ihnen in der Wohnung lassen, wenn ich den Wagen hole, denn ich will nicht riskieren, dass man es bei mir findet. Ich schreibe Ihnen auf, was Sie tun sollen, falls
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