Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
seine Familie dort abzuholen. Peter und Rachel waren die ganze Nacht durchgefahren, um so früh wie möglich zum Flugplatz zu kommen. Der Pilot hatte Peter und Rachel am O’Hare-Flugplatz abgesetzt und war dann mit den jüngeren Kindern weiter nach Kansas City geflogen, wo Rachels Mutter sie in Empfang nehmen würde.
»Petra war in den letzten Tagen ziemlich nervös«, sagte ich. »Sie hat zwar behauptet, es wäre alles in Ordnung, aber jetzt frage ich mich natürlich, ob sie das belastet hat, dieser Plan, mit diesen Gangstern in mein Büro einzubrechen.«
»Verdammt noch mal«, brüllte mein Onkel. »Petra kennt keine Gangster! Wenn sich hier jemand mit Gangstern herumtreibt, dann bist du das, verdammt. Du hängst mit den Anacondas herum. Bist ja sogar nach Stateville rausgefahren, um dich hinter Gittern im Zuchthaus mit Johnny Merton zu treffen.«
»Woher weißt du das?« Ich war verblüfft.
Rachel lächelte gequält. »Petra und ich telefonieren jeden Tag miteinander. Manchmal auch dreimal. Sie hat mir davon erzählt, dass du dich mit dem Mann im Gefängnis triffst. Sie fand das sehr spannend.«
»Und von Harvey hab ich es auch gehört«, blaffte Peter. »Er sagt, Vic hätte einen direkten Befehl von einem örtlichen Richter missachtet, der ihr verboten hat, in diesen alten Geschichten herumzuschnüffeln.«
Wenn ich nicht so unglücklich über die Sache gewesen wäre, hätte ich ihn ausgelacht. »Einen ›Befehl‹ missachtet? Ich bin doch nicht in der Army. Dieser Richter war mal vor Jahren mein Chef im Pflichtverteidigerbüro. Er hat bloß Angst, ich könnte dahinter kommen, was er damals bei einem von Johnny Mertons Leuten für schlechte Arbeit geleistet hat.«
»Na wenn schon? Jedes Bandenmitglied, das von den Straßen verschwindet, ist eine Wohltat für die Gesellschaft.«
»Sag mal, Vic, wieso bist du dir eigentlich so sicher, dass Petra gestern Nachmittag in deinem Büro war?«, fragte Tante Rachel. Sie hatte die Frage schon zehnmal gestellt, aber sie machte sich offenbar solche Sorgen, dass sie die Antwort immer wieder vergaß.
Erneut erklärte ich ihr die Sache mit dem weißen Armband, das ich vor dem Hinterausgang gefunden hatte. »Ja, natürlich könnte es auch jemand anderem gehört haben, aber das glaube ich nicht.«
»Und weshalb bist du dir so sicher, dass unsere Tochter das Schloss aufgemacht hat?«, fragte Peter. »Warum kann es nicht diese Bildhauerin gewesen sein, mit der du die Miete teilst? Vielleicht arbeitet sie ja für die Mafia?«
Ich klappte ein, zwei Mal den Mund auf und zu, ohne etwas zu sagen. Tessa Reynolds gehört zur afro-amerikanischen Aristokratie dieser Stadt, ihre Mutter ist eine berühmte Rechtsanwältin, ihr Vater ein erfolgreicher Ingenieur. Ihre Eltern waren höchst beunruhigt darüber, dass ihre Werkstatt neben meinem Büro lag, und hatten die größte Sorge, ich könnte sie in die Gosse ziehen wegen der Fälle, die ich bearbeite, und der Leute, die zu mir ins Büro kommen. Gleich gestern Abend, als der Einbruch in den Lokalnachrichten erwähnt wurde, hatte ihre Mutter mich besorgt angerufen.
Ich hatte keine Lust, mich zu rechtfertigen und meinen Gedankengang zu erklären. Dazu war ich zu müde und zu verwirrt. Stattdessen fuhr ich meinen Laptop hoch. Ich hatte das Video mit den Aufzeichnungen der Überwachungskamera an meine eigene E-Mail-Adresse geschickt, um sicher zu sein, dass es nicht verschwand. Ich zeigte meinem Onkel und meiner Tante die Bilder des Einbrecher-Trios. »Sieht jemand von denen wie Petra aus?«
»Natürlich nicht!« Mein Onkel starrte kurz auf den Bildschirm, machte drei wütende Schritte und riss dann sein Handy heraus. »Das ist doch bloß Zeitverschwendung. Ich weiß gar nicht, warum wir hier herumsitzen und uns von Vic an der Nase herumführen lassen. Die versucht doch bloß, Ausreden dafür zu finden, dass sie Petra in Gefahr gebracht hat.«
Meine Tante schüttelte den Kopf; Tränen stiegen in ihren Augen auf und tropften an ihrer Nase herunter. »Petra ist die in der Mitte.«
»Woher willst du das wissen? Bist du jetzt völlig –«
»Peter, das sind der Crocodile-Dundee-Hut und der Outback-Mantel aus Wachstuch, die sie in Melbourne gekauft hat. Sie ist so stolz darauf gewesen. Sogar auf dem Foto hier kann ich das sehen.« Durch ihre feuchten Wimpern hindurch sah sie mich an. »Vic, irgendjemand muss sie dazu gezwungen haben. Wir treffen uns in einer Stunde mit Special Agent Hatfield vom FBI . Gib mir ein paar Namen! Nenn mir
Weitere Kostenlose Bücher