Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
Harmony … ich hab das nie geglaubt. Aber selbst wenn er sie umgebracht hätte … Wissen Sie, Lamont und Steve sind die besten Freunde gewesen, schon von klein auf. Lamont hätte ihn nie bei der Polizei angezeigt.«
»Hat Harmony in Ihrer Nachbarschaft gewohnt?«
»Sie und ihre Eltern haben ein Stück die Straße hinauf gewohnt, aber sie haben zu einer Baptistengemeinde gehört, von der Daddy gesagt hat, sie wäre keine richtige Kirche. Außerdem waren sie reich; Mr Newsome war Rechtsanwalt. Und Harmonys Bruder hat ebenfalls Jura studiert und ist später irgendwo im Osten Professor geworden. Harmony war unten in Atlanta im College. Dort ist sie Bürgerrechtsaktivistin geworden, und als sie in den Sommerferien nach Hause kam, hat sie in der Jugendgruppe ihrer Gemeinde davon erzählt. Sie hat in einer Menge Gemeinden in unserer Nachbarschaft über die Bürgerrechtsbewegung geredet, aber bei Daddy nicht. Er ist der Ansicht, Frauen sollten in der Kirche den Mund halten, so wie der heilige Paulus gesagt hat. Außerdem findet er, gläubige Christen gehören nicht auf die Straße und sollten sich von Demonstrationen und Märschen fernhalten. Unser Platz ist in der Kirche, sagt er.«
Sie beugte sich über ihren Kaffee und rührte darin herum, als wollte sie mit dem Löffelchen ihren Vater und ihr eigenes Leben zu Pudding verarbeiten. »Ich sollte das nicht sagen, aber ich war richtig eifersüchtig auf Harmony. Sie war hübsch. Sie ging aufs Spelman College, während ich mich krumm arbeiten musste, um das Geld für die Schwesternschule zusammenzukratzen. Und die Jungs waren von ihr wie verhext . Als ich hörte, dass sie tot war, hab ich mich erst mal gefreut.«
Ich griff nach ihrer freien Hand und drückte sie. »Sie haben sie doch nicht umgebracht«, sagte ich. »Auch nicht mit Ihrer Eifersucht.«
Sie schaute kurz hoch, und ich sah ihre schmerzlich zusammengepressten Lippen. » Alle Jungs rannten ihr nach, auch die aus unserer Gemeinde. Deshalb hab ich nie so richtig geglaubt, dass Lamont mich gern hatte. Ich glaube, er hielt mich für leichte Beute, ein großes, hässliches Mädchen, das sonst keiner wollte. Wenn er Harmony nicht haben konnte, würde er eben mit mir vorliebnehmen. Aber ich glaube nicht, dass irgendeiner der Jungs sie aus Eifersucht umgebracht hätte. Auch nicht Steve. Sie ist ja nie mit ihm gegangen. Sie ist mit überhaupt keinem Jungen aus unserer Gegend gegangen. Und auch mit den Jungs in Atlanta nicht, die auch aus feinen Familien stammten. So viel ich weiß, hat sie nur die Bürgerrechtsbewegung geliebt.«
»Waren Steve und Lamont bei dem Marsch im Marquette Park dabei?«
»Daddy hatte allen Gemeindemitgliedern verboten, da hinzugehen, aber Lamont und Steve haben sich nicht darum gekümmert. Johnny Merton hat an den Verhandlungen mit Dr. King teilgenommen. Sie haben vereinbart, dass die Gangs den Sommer über Frieden halten und den Marsch beschützen sollten.«
Sie seufzte tief bei der Erinnerung und fuhr dann sehr leise fort: »Oh, Daddy war darüber so wütend! Er hasste es, wenn seine Autorität infrage gestellt wurde. Als Steve und Lamont nicht ihrem Pfarrer, sondern Johnny folgten, hat er sie öffentlich aus der Gemeinde ausgeschlossen. Es war ein schrecklicher, schrecklicher Sonntag, und nach dem Gottesdienst sagte mein Vater, auch meine eigene Seele sei in Gefahr, wenn ich je wieder mit Lamont redete. Trotzdem, wenn ich einkaufen musste oder sonst unterwegs war, ging ich oft an seinem Haus vorbei, oder bei der Carver’s Lounge, wo er und die anderen Anacondas Poolbillard spielten …« Ihre Stimme verlor sich.
Erst heute Morgen hatte mir Dornick erzählt, dass Lamont der Informant gewesen sei, der ihn und Alito auf Sawyer hingewiesen hatte. Jetzt fiel mir der eigenartige Blick wieder ein, den er mir zugeworfen hatte, als ich ihn danach gefragt hatte. War es vielleicht in Wirklichkeit Pastor Hebert gewesen, der die Polizei auf die zwei schwarzen Schafe in seiner Gemeinde gehetzt hatte?
»Wie wütend war denn Ihr Vater auf Steve und Lamont?«, fragte ich. »Könnte es sein, dass er sie bei der Polizei angezeigt hat?«
»Was für eine schreckliche Idee! Wie können Sie so etwas denken?« Sie schob ihren Stuhl vom Tisch weg und wollte aufstehen. »Daddy ist der rechtschaffendste Mann auf der South Side!«
Genau wie Tony der beste Polizist in der Stadt war? Waren wir Töchter alle so, dass wir unsere Väter verteidigen mussten, auch wenn alle Indizien gegen sie sprachen?
Ich
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