Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
sprechen.«
»Das können wir gleich am Telefon machen. Ich habe Ihnen ja schon vor ein paar Tagen gesagt, Sie sollen Johnny Merton in Ruhe lassen.«
Ich knirschte mit den Zähnen. »Es geht gar nicht um The Hammer. Es geht um einen Ihrer allerersten Mandanten, Herr Richter, als Sie noch Pflichtverteidiger waren. Erinnern Sie sich noch an den Prozess gegen Steve Sawyer?«
Er schwieg.
»Es ging um den Mord an Harmony Newsome. Erinnern Sie sich?«
Es wurde so still in der Leitung, dass ich schon dachte, die Verbindung sei weg. Hinter mir hupte jemand. Vor mir hatte sich eine Lücke von anderthalb Metern geöffnet. Ich rutschte vorwärts und warf einen Blick auf die schmierige Oberfläche des Kanals unter mir. Es war ein schwüler Tag, und das Wasser sah aus, als ob die Leichen aller je in Chicago Ermordeten darin verfault wären.
Plötzlich war der Richter wieder zu hören. »Wieso interessieren Sie sich plötzlich für so eine alte Geschichte, Warshawski?«
Ich überlegte. Wenn ich Coleman persönlich gegenübergesessen und dabei das Prozessprotokoll in der Hand gehabt hätte, wäre die Sache relativ einfach gewesen. Ich hätte ihn bloß Schritt für Schritt nach seinen Unterlassungen fragen müssen: Warum hatte er nicht nach dem Namen des Informanten gefragt? Warum hatte er keinen Einspruch gegen die geheimen Absprachen zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft erhoben? Ihn jetzt am Telefon in die Enge zu treiben war praktisch unmöglich.
»Der Name Steve Sawyer taucht immer wieder bei meiner Suche nach einem Vermissten auf, die ich gerade durchführe. Aber wie es scheint, ist er verschwunden. Genauer gesagt: Seit seiner Verurteilung gibt es keinerlei Aufzeichnungen mehr über ihn. Ich hatte gehofft, Sie hätten vielleicht noch Ihre alten Notizen und wüssten, in welche Strafanstalt er geschickt worden ist.«
»Aber das ist vierzig Jahre her, Warshawski! Ich erinnere mich noch an den Prozess, es war mein erster wichtiger Fall.« Sein dünnes Lachen drang durch den Äther. »Ich habe damals eine Menge gelernt, aber was aus all dem Gesindel geworden ist, das damals im Kriminalgericht an der 26ten Straße vorgeführt wurde, kann ich wirklich nicht sagen.«
Inzwischen war ich endlich auf der anderen Seite des Kanals angekommen. »Natürlich nicht, Richter Coleman, aber das Protokoll von diesem Prozess wirft eine Menge verfahrensrechtlicher Fragen auf.«
»Sie haben das Protokoll gelesen?«, fragte er. »Wieso das denn?«
Die Frage klang äußerst merkwürdig.
»Nun ja, ich habe nach Spuren von diesem Steve Sawyer gesucht, Richter. Ich war sehr überrascht, als ich Ihren Namen in den Protokollen entdeckt habe. Und meinen auch. Mein Vater war nämlich der Polizist, der den Angeklagten verhaftet hat.«
Ich glaubte ein unterdrücktes Keuchen zu hören. »Na, dann fragen Sie doch Ihren Vater, wenn Sie Probleme haben«, fauchte der Richter.
»Der ist leider schon seit ein paar Jahren tot«, erwiderte ich. »Und ich glaube nicht an Geisterbeschwörungen.«
»Sie waren immer schon eine vorlaute Besserwisserin, Warshawski, und Sie scheinen sich nicht sehr geändert zu haben. Ich bin Ihnen nichts schuldig, aber ich gebe Ihnen trotzdem einen guten Rat: Lassen Sie diese alten Geschichten in den Archiven. Merton, Newsome, diesen Jungen, der sie ermordet hat – lassen Sie die Finger davon. Es ist zu Ihrem eigenen Besten!«
Er hatte aufgelegt, ehe ich mich bedanken konnte. Na, auch gut. Ich hätte meine Wut sowieso nicht länger unterdrücken können.
19
Die Beförderung
Wenn man so zerschlagen nach Hause kommt, dass man am liebsten zehn Jahre lang in der Wanne liegen und seine Wunden lecken möchte, ist man nicht gerade begeistert, wenn man den funkelnagelneuen Pathfinder seiner überdrehten Cousine vor seiner Tür parken sieht. Ich versuchte mich still und leise nach oben in meine Wohnung zu schleichen, aber die Hunde verrieten mich, und kaum hatte ich das Haus betreten, kamen sie alle angestürzt: die Hunde, meine Cousine und Mr Contreras.
»Das Foto von Krumas mit Onkel Sal hat mir eine Beförderung eingebracht«, rief Petra. »Wir feiern gerade! Komm rein!«
Meine schwachen Proteste wurden gnadenlos ignoriert. Mr Contreras eilte in die Küche, um ein Glas Spumante für mich zu holen, und die Hunde umkreisten mich winselnd, als wäre ich jahrelang weg gewesen. Der Aufruhr brachte auch Dr. Dankin in die Eingangshalle, die plastische Chirurgin aus dem Erdgeschoss, die in der Eigentümerversammlung ständig
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