Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
vielleicht hat ja Onkel Tony auch etwas hinterlassen. Irgendwelche Aufzeichnungen. Was ist mit dem Haus, in dem ihr gewohnt habt? Wir könnten ja mal auf dem Dachboden suchen oder in irgendwelchen Geheimfächern.« Petras Augen glitzerten geradezu vor Begeisterung.
»Du möchtest wohl am liebsten selbst Detektiv spielen, was? Petra Warshawski und das Geheimnis der alten Kommode. Nein, Schätzchen, die Häuser in South Chicago sind alle recht übersichtlich. Da gibt es keine versteckten Winkel oder doppelte Böden. Außerdem habe ich das Haus verkauft, nachdem mein Vater gestorben war. Und ich hatte Glück, dass ich einen Käufer gefunden habe. Die Gegend ist nicht mehr sehr begehrt.«
»Was hast du denn mit seinen Sachen gemacht? Hat er ein Tagebuch hinterlassen?«
Ich lachte. »Du denkst an Polizisten, wie sie in Kriminalromanen vorkommen. Typen wie Adam Dalgliesh oder John Rebus, die voller Selbstzweifel sind. So war Tony nicht. Wenn er sich entspannen wollte, dann hat er im Fernsehen den Cubs zugeschaut oder selbst Baseball gespielt. Oder ein Bier mit Onkel Bernie getrunken. Er hat nicht gegrübelt oder Gedichte geschrieben.«
»Aber hat er dir denn gar nichts hinterlassen?«, fragte Petra. »Ich meine, zumindest seine liebste Bowlingkugel oder so?«
»Nein, und auch kein Akkordeon, auf dem er Polka gespielt hat. Wo hast du bloß diese Klischees her, Petra?«
»Nun mal sachte, Puppe«, sagte Mr Contreras. »Es gibt eine ganze Menge Männer, die gern mal zum Bowling gehen. Ich gehöre allerdings nicht dazu. Ich mag lieber Poolbillard. Und Pferdewetten. Obwohl meine Mutter fest davon überzeugt war, dass mich das zum Versager und Alkoholiker machen würde.«
De facto hatte mein Vater nicht viel hinterlassen. Im Gegensatz zu vielen anderen Polizisten war er kein Waffensammler. Er hatte nur seinen Dienstrevolver, den ich im Präsidium abgegeben hatte, als er gestorben war. Behalten hatte ich seine Ersatzwaffe, eine Smith & Wesson, Kaliber neun Millimeter. Sein silbernes Abzeichen hatte ich Bobby geschenkt.
Sein Fotoalbum, in dem ich vor ein paar Tagen geblättert hatte, besaß ich noch, außerdem ein paar Baseball-Erinnerungsstücke und eine Plakette, die an den achtpfündigen Silberlachs erinnerte, den er im Wolf Lake geangelt hatte. Ein bisschen Werkzeug aus dem Anbau hinter der alten Küche hatte ich auch mitgenommen. Ich benutzte es manchmal sogar, wenn der Abfluss aufgeschraubt oder ein Regal zusammengebaut werden musste. Ansonsten konnte ich mich nur an die Ausgehuniform erinnern, die ich zusammen mit den Noten meiner Mutter und ihrem angesengten Samtkleid in eine alte Truhe gepackt hatte.
Petra wollte am liebsten gleich mit der Suche anfangen. Als sie hörte, dass ich schon seit Jahren nicht mehr in die Truhe geschaut hatte, war sie sofort überzeugt, dass ich etwas übersehen haben musste, das alles erklärte.
Mr Contreras stimmte ihr zu: »Sie wissen doch, wie es ist, Puppe. Man packt die Sachen weg und vergisst, was es war. Mit Claras Hinterlassenschaft war es genauso. Als ich für Ruthie den Schmuck rausgesucht habe, hab ich alle möglichen Sachen gefunden. Sogar Claras dritte Zähne hatte ich sorgfältig in eine Schachtel gepackt.«
»Schon gut, schon gut«, sagte ich müde. »Wahrscheinlich hatte mein Vater die geheimen Pläne für das benzinlose Auto in seinem Besitz, aber heute Abend suche ich nicht mehr danach. Ich bin völlig fertig. Ich muss jetzt ins Bett.«
Petra hatte ziemlich viel von dem Spumante getrunken und wollte unbedingt mit mir in die Wohnung gehen und nach der Truhe suchen. Ich hatte es satt, mich mit ihr herumzustreiten, und fragte, ob sie bei mir übernachten wollte, doch sie lehnte ab. In ihrem Zustand wollte ich sie aber nicht ans Steuer des Pathfinder lassen. Gegen elf, als sich auch Mr Contreras auf meine Seite schlug, gelang es uns schließlich, sie in ein Taxi zu stecken.
Ich half Mr Contreras beim Aufräumen und ließ mich weiter von seinem Redeschwall einlullen. Ja, Petra war ein nettes Mädchen, ihre Beförderung war eine tolle Sache. Ja, ich sollte wirklich nicht zu streng mit ihr sein. Ja, ich war auch mal jung und begeisterungsfähig gewesen.
Dann fing er an, von seiner eigenen Jugend und von den Pferderennen zu reden, die er damals besucht hatte. Als er sich endlich mit einem Glas Grappa vor den Fernseher setzte, holte ich Peppy und ging mit ihr nach oben.
Ich träumte von einem Säbelzahntiger. Er sprang mich an, und als ich hilflos zu Boden ging,
Weitere Kostenlose Bücher