Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
quasi die gleiche Farbe wie Gras haben. Doch eine andere blinde Person, die den beiden zufällig zuhört, könnte annehmen, dass sie sich einfach auf einen willkürlichen gemeinsamen Glauben geeinigt hätten. Ein echter buddhistischer Lehrer ist wie jemand, der nicht mehr blind ist. Zazen zu praktizieren ist, als erhalte man allmählich (oder vielleicht auch nicht so allmählich) das Augenlicht zurück. Dharma-Übertragung ist das, was passiert, wenn sich deine Sicht genügend klärt, so dass du sehen kannst, was dein Lehrer und der Buddha bereits gesehen haben: Die Dinge, wie sie sind.
Der Hauptunterschied zwischen den Ideen, die die Wissenschaftler anbieten und jenen, die die Buddhisten anbieten, kommt daher, dass Wissenschaftler danach streben, die Dinge allein mittels des analytischen Verstandes zu verstehen. Buddhisten erkennen, dass jedes wahre Verständnis der Beziehung zwischen Geist und Materie ein intuitives Verstehen einschließen muss, das den gesamten Geist – Bewusstes und Unterbewusstes – einbezieht, genau wie den Körper und schließlich jeden Teil des Universums.
Diese Art des Verstehens kann nicht symbolisch in Worten ausgedrückt werden, die auf die übliche Weise verwendet werden. Soweit es überhaupt symbolisch ausgedrückt werden kann, ist die Aussage „Form ist Leerheit, Leerheit ist Form“ schon so deutlich wie nur möglich.
Leiden, Ursprung, Aufhebung, Weg
Dieser Satz stellt die vier edlen Wahrheiten dar, über die Gautama Buddha in seinen ersten Reden sprach, nachdem er selbst die Erleuchtung erfahren hatte. Nach dem üblichen Verständnis besagt die erste Wahrheit, dass alles Leben leidet. Tatsächlich hat Buddha Gautama das Wort
dukkha
verwendet, ein Wort, das auf Pali eher so etwas wie „unbefriedigende Erfahrung“ bedeutet. Die zweite edle Wahrheit wird traditionell so interpretiert, dass der Ursprung des Leidens Verlangen sei. Die dritte Wahrheit wird üblicherweise so verstanden, dass die Aufhebung von Verlangen zur Aufhebung von Leiden führt. Die vierte ist die Wahrheit des rechten Weges, die in der Regel in der Form des edlen achtfachen Pfades beschrieben wird, der zur Aufhebung von Verlangen führt. Die acht Glieder sind folgende: rechtes Verstehen, rechtes Denken, rechte Rede, rechtes Handeln, rechte Lebensführung, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung (oder Konzentration).
Lass’ mich dir meine Versionen dieser Wahrheiten vorstellen.
Die erste edle Wahrheit, Leiden, steht für den Idealismus. Wenn du die Dinge von einem idealistischen Standpunkt aus betrachtest, nervt einfach alles, wie die Descendents es in ihrem Song „Everything Sucks“ (von dem Album
Everything Sucks
) sagen. Nichts kann jemals den Ideen und Fantasien gerecht werden, die du geschaffen hast. Also leiden wir, weil die Dinge nicht so sind, wie wir sie gerne hätten. Anstatt uns dem zu stellen, was wirklich ist, ziehen wir es vor, uns zurückzuziehen und das, was wir durchmachen, mit unserem Ideal davon zu vergleichen, wie es sein sollte. Leiden ist das Ergebnis dieses Vergleichs.
Sogar körperliches Leiden läuft nach diesem Muster ab. Das erlebte ich vor ungefähr einem Jahr am eigenen Leib, als ich einen Nierenstein ausschied, wobei es sich angeblich um die schmerzhafteste Erfahrung handelt, die ein Mensch tatsächlich überleben kann. Ich weiß zwar nicht, ob das stimmt, aber ich kann dir versichern, dass der Schmerz
ziemlich
übel war. Und dennoch: Sobald ich es sein ließ, meine Vorstellung davon, wie ich mich fühlen sollte (nämlich frei von Schmerzen), mit dem zu vergleichen, wie ich mich tatsächlich fühlte (nämlich von
enormen
Schmerzen gepeinigt), verbesserten sich die Dinge deutlich. Versteh mich nicht falsch, es tat immer noch höllisch weh. Doch solange du nicht versuchst, vor der unvermeidlichen Hölle des Leidens davonzulaufen, wenn du es einfach zulässt, verwandelt sich deine gesamte Erfahrung völlig. Die buddhistische Autorin und Nonne Pema Chödrön nennt diese Wandlung „die Weisheit der Ausweglosigkeit“.
Dies führt zur zweiten edlen Wahrheit, der Entstehung des Leidens: unserem Wunsch, dass die Dinge anders sein sollten, als sie es sind, wo sie das doch gar nicht sein können. Die Dinge können niemals anders sein, als sie sind. Dieser Moment kann niemals anders sein, als er ist. Dieses „Verlangen“ oder „Begehren“, von dem buddhistische Lehrer so oft sprechen, ist also nicht nur die Tatsache, dass wir ein großes Auto fahren wollen oder
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