Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
also mit dem gegenwärtigen Moment? Das Diamant-Sutra sagt uns, dass der Geist der Gegenwart unerkennbar ist. Was soll das heißen? Wir denken, wir kennen den Geist der Gegenwart – schließlich ist sie doch hier! Aber wir kennen ihn nicht wirklich. Wir können ihn nicht wirklich sehen. Ganz inmitten einer Sache kannst du sie einfach nicht sehen. Während ich dies hier schreibe, schauen meine Augen auf die Tastatur (wenn ich vernünftig tippen gelernt hätte, würden sie auf den Bildschirm schauen), aber ich kann meine eigenen Augen genauso wenig sehen, wie ich meine Zähne beißen kann. Ich sehe nur ihre Spiegelung und erlebe ihre Auswirkungen. Zu versuchen, seinen gegenwärtigen Geist zu sehen, ist genau das Gleiche. Ich kann nur die Spiegelung meines Geistes im Universum oder in meiner eigenen Vergangenheit sehen. Der gegenwärtige Moment ist die Messerschneide der Zeit, die sowohl durch Zukunft als auch Vergangenheit schneidet wie eine rot glühende Machete durch ein Stück lauwarme Halbfettmargarine. Buddhistische Schriften nehmen manchmal auf
Geist-Momente
Bezug, die konzeptuell kürzestmögliche Zeiteinheit. Es wird gesagt, es gebe vierundsechzig Geist-Momente in einem Fingerschnipsen. Mich juckt’s kein Stück, ob das nach modernem wissenschaftlichen Verständnis irgendeinen Wert hat – es ist einfach nur ein poetischer Versuch, die Flüchtigkeit des gegenwärtigen Moments anschaulicher zu machen. Im gegenwärtigen Moment ist nicht einmal Zeit, einen einzelnen Gedanken zu vollenden, egal wie einfach er auch sein mag. Im gegenwärtigen Moment hat nicht einmal die Wahrnehmung Zeit sich zu ereignen. Bloß Handeln existiert.
Und doch ist dieser flüchtige klitzekleine Moment die
einzige
Zeit, in der es dir freisteht, zu handeln. Die Realität der unerkennbaren Vergangenheit steht fest. Getan und vergangen. Unsere Fähigkeit, sie mental zu manipulieren, ist nur eine Illusion. Doch in diesem Moment wirken sich unsere vergangenen Handlungen auf unser Leben hier und jetzt aus. Innerhalb der Grenzen, in die unsere vergangenen Handlungen uns gesetzt haben, sind wir genau jetzt
absolut frei
. Das ist ein wichtiger Punkt – stell sicher, dass du ihn siehst.
Die Zukunft ist nicht hier. Völlig unerreichbar. Doch in diesem Moment wirkt sich die Handlung, die wir ausführen, unendlich und unerkennbar auf unsere künftigen Umstände und die des Universums aus. Hier und jetzt können wir etwas Wirkliches tun.
Alles existiert in diesem Moment. Dieser Moment ist die Basis der gesamten Schöpfung. Das Universum wurde nicht vor den biblischen sechstausend oder gar den wissenschaftlichen fünfzehn Milliarden Jahren erschaffen. Das Universum wird
genau jetzt
erschaffen und
genau jetzt
verschwindet es auch wieder. Bevor du überhaupt die Zeit hast, seine Existenz zu erkennen, ist es für immer verschwunden. Doch der gegenwärtige Moment durchdringt alles an Raum und Zeit. In Dogens Worten: „Was hier und jetzt geschieht, wird einzig durch das Geschehene selbst begrenzt. 12 Es ist längst über die Vorstellung irgendeines Geschehens hinausgesprungen.“
In anderen Worten: Wir können die Gegenwart nicht im üblichen Sinne kennen, da die Gegenwart von der Gegenwart selbst und von dem Akt, sie wahrzunehmen und zu verstehen, begrenzt wird. Form trifft Leerheit im Hier und Jetzt, und die gesamte Schöpfung erblüht ins Sein. 13
Nirvana
Ich wette, du denkst, dass ich irgendeine Art Anspielung auf Kurt Cobains Band machen werde. Das ist nicht das wahre Nirvana. Das wahre Nirvana war eine Zwei-Mann-Band aus England, die in den 60ern ein paar klasse Psychedelic-Platten rausgehauen haben. Aber das ist es nicht, worum’s im Herz-Sutra geht.
Im Westen wird Nirvana oft als eine Art buddhistischer Himmel missverstanden, oder es haben, da
nirvana
wörtlich „Stillstand“ oder „Auslöschung“ bedeutet, eine Menge Leute die äußerst irrige Tendenz, diese Idee mit Nihilismus gleichzusetzen. Andere setzen Nirvana mit einer Art immerwährender Glückseligkeit gleich. Bei Nirvana geht’s nicht um Glückseligkeit. Wenn du Glückseligkeit willst, bist du besser damit bedient, ’ne dicke fette Tüte zu rauchen. Du solltest dich dann nur wieder auf ’ne scharfe Prise Wirklichkeit gefasst machen, wenn du deine Vorräte weggedampft hast.
Wenn’s sein muss, kannst du dir Nirvana als so eine Art Ziel buddhistischer Praxis vorstellen. Nun wird dir aber jeder gute buddhistische Lehrer erzählen, dass es beim Buddhismus auf den
Weg
ankommt
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