Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
eine Nachricht auf meinem Schreibtisch, die besagte, dass jemand namens „Jean Simons“ für mich angerufen hatte. Es stellte sich heraus, dass er nicht so sehr daran interessiert war, sich das
Ultraman
-Set anzuschauen, sondern vielmehr versuchte, einen Kiss ® -Zeichentrick-film auf die Beine zu stellen. Er kannte die Werke von Tsuburaya Productions und dachte, dass wir ihm vielleicht weiterhelfen könnten. Ob ich wohl dazu Lust hätte, bei ihm im Hotel vorbeizuschauen und drüber zu quatschen?
Das war fast so gut wir der erste Anruf, den ich von Tsuburaya Productions bekommen hatte!
Gene war sogar so freundlich, uns gute Plätze für eines der ausverkauften Konzerte zu besorgen. Das Treffen war für den kommenden Tag im Four Seasons Hotel Tokio angesetzt – für Kiss ® nur das Beste. Ich brachte den Produzenten mit, der Interesse an der Trickfilm-Idee hatte, einen der Leute aus seinem Stab und Atsushi Saito, den jüngeren meiner beiden Chefs aus Tsuburayas internationaler Abteilung. Die anderen Leute nahmen im Café des Hotels Platz, während ich in der Empfangshalle nach Gene Simmons Ausschau hielt. Paul Stanley, ein anderes Bandmitglied, kam vorbei und warf mir ’nen merkwürdigen Blick zu, als er mich dort in dem Kiss ® -Shirt sitzen sah, das ich trug, damit Gene mich leichter erkennen würde. Ich war eindeutig kein Autogrammjäger, da ich ja nicht einmal aufstand, als er vorbeischlenderte. Vielleicht sah ich wie ein Stalker aus.
Ich hätte Gene Simmons auf keinen Fall übersehen können, als er durch die Empfangshalle kam. Selbst, wenn ich nicht gewusst hätte, wie er ohne Make-up aussieht, seitdem es in der Zeitschrift
Creem
in den späten Siebzigern ein Foto ohne Schminke von ihm gab, genügte sein Auftreten allein völlig, um ihn von jedermann sonst abzuheben. Ich habe berühmte Leute sagen hören, dass sie sich einfach durch ihre Haltung aussuchen können, ob sie in der Öffentlichkeit auffallen wollen oder nicht. Nun, Gene Simmons hatte es sich definitiv ausgesucht, Aufsehen zu erregen. Ich führte ihn zu unserem Tisch, er nahm Platz und fragte, ob uns die Show am Vorabend gefallen habe. Ich sagte, sie sei gut gewesen.
„Gut?“
sagte er, merklich beunruhigt. Offenbar brauchte er mehr als das. Also schob ich nach: „Es war fantastisch, umwerfend, atemberaubend.“ War’s auch tatsächlich, ich hatte nur den Ball flach gehalten und versucht, beim ersten Mal geschäftlich rüberzukommen. Mein überschwänglicher Erguss schien ihn zu befriedigen.
Wir zeigten ihm ein paar Beispiele unserer Trickfilmsachen und erzählten ihm was über die Firma. Genauer gesagt, zeigten wir ihm ein paar Artworks auf Papier, als wir im Café saßen, und gingen nachher mit hoch auf sein Zimmer, wo er ’nen Videorekorder stehen hatte, und spielten ihm ’ne Kassette vor. Ich war auf Gene Simmons Toilette pissen! Wo übrigens ein
Wall Street Journal
auf dem Boden lag. Dann hob er zu einem langen, von sich eingenommenen Monolog an, in dem er uns die Ideen für den Kiss ® -Cartoon mitteilte. Was mich überraschte, war, dass die Story, die er im Laufe einer Flasche Perrier ® und einiger Plätzchen ausbreitete, zeitweilig echte Einsichten buddhistischen Stils aufblitzen ließ. Wohlgemerkt, die Story des Cartoons selbst war vom Buddhismus meilenweit entfernt, doch ab und an blitzte darin etwas überraschend Tiefes auf.
Außerdem gab’s auf dem aktuellen Kiss ® -Album einen Song von Simmons namens „We Are One“, in dem einige Zeilen sehr nah drankamen, Schlüsselpunkte buddhistischer Philosophie wiederzugeben. „Everywhere I go, every face I see, I see my own face staring back at me“ 20 – was ja ungefähr so ist, wie ich mich nach dem Tag am Sengawa fühlte. Ich bezweifle allerdings sehr, dass die Bedeutung für ihn genau die gleiche war. Aber immerhin, es gibt nicht viele Leute, die überhaupt mit so ’ner Idee daherkommen. In seiner Autobiographie sagt Gene Simmons zwar, dass er keine Verwendung für östliche Philosophien habe, doch im selben Abschnitt sagt er ebenso: „Wegen mir sollen andere Leute sich ruhig in Trancezustände begeben und über Spiritualität nachdenken. Ich konzentrier’ mich lieber darauf, was zu Essen zu haben. Das Hier und Jetzt.“ Und schließlich ist genau das doch die Sichtweise des Zen.
Dieser Typ spielte Bass in einer der lautesten Heavy Metal-Bands der Welt, Feuer spuckend, Blut kotzend und ganz allgemein jedem Religionsgelehrten Amerikas an den Karren pissend, hatte er
Weitere Kostenlose Bücher