Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
keine Sekunde seines Lebens mit Zazen verbracht, und kam dennoch äußerst nah an ein echtes Verständnis bestimmter Elemente der buddhistischen Wahrheit heran.
Hieß das etwa, dass er ein Zen-Meister war? Nö. Weit gefehlt. Nach dem, was ich sehen konnte und was er quasi auch in seinem Buch bekennt, ist der hauptsächliche Fokus im Leben von Gene Simmons Gene Simmons. Das ist wohl kaum ein Anzeichen dafür, dass er so etwas wie wahres Verständnis der Nichtexistenz eines Selbst erreicht hat. Aber ich bin mir sicher, er hat flüchtige Eindrücke davon erhascht. Vielleicht nur dann, wenn er sich auf der Bühne verausgabt, oder, möglicherweise backstage, wenn er … äh … sich da verausgabt. Doch diese Einsichten hat er niemals so in sein Leben integriert, als dass ihn das zu einem Zen-Meister oder etwas Dementsprechendem machen würde. * Andererseits habe ich auch schon selbsternannte „buddhistische Meister“ gesehen, denen man genau dasselbe ankreiden könnte, und die tatsächlich wesentlich weniger fähig zu echter Ehrlichkeit waren als Gene Simmons. Doch obwohl seine Philosophie zwar ’ne Menge Punkte von echtem Wert (und ’ne ganze Menge Punkte echter Selbstbefriedigung) aufweist, bin ich nicht so recht bereit dazu, Gene Simmons „den Dharma zu übertragen“ und ihn zum Zen-Meister zu erklären.
EIN WEITERER KÜNSTLER, den ich getroffen habe und bei dem ich den Eindruck hatte, dass er einen gewissen Grad an Weisheit buddhistischer Art erreicht hat, ist Alex Cox, Regisseur der Filme
Repo Man, Sid and Nancy
und
Walker
.
Repo Man
ist einer meiner unübertroffenen Lieblingsfilme. Es ist der einzige fiktionale Film, den ich kenne, der überhaupt einen Versuch unternimmt, die amerikanische Punk-Szene der frühen 80er so zu präsentieren, wie sie wirklich war. Während der Rest der Medien damit beschäftigt war, solchen Müll wie
The Class of 1984
zu produzieren, in dem Punks eine Schule besetzen, oder Folgen von Krimi-Serien wie
ChiPs
und
Quincy
, in denen gewalttätige „Punker“ Chaos hinterlassen und Morde begehen, machte Regisseur Alex Cox einen schonungslos offenen, lustigen und realistischen Film über echten Punk. Ich kann schon nicht mehr zählen, wie oft ich mir diesen Film angeschaut habe. Doch egal, wie oft ich ihn anschaue, er ist immer noch gut. Ich habe die meisten anderen Filme von Cox auch gesehen und hatte meinen Spaß daran, doch
Repo Man
ist wie
Casablanca
oder
Citizen Kane
– ein echter Kinoklassiker.
Als ich herausfand, dass Alex Cox im Rahmen einer BBC-Doku über Godzilla nach Tokio kam, sorgte ich geschickt dafür, dass ich mich auch mit ihm treffen konnte. Die BBC hatte mich über einen britischen Trickfilm-Freund von mir kontaktiert, im Bemühen an ein paar der Leute zu kommen, die die ursprünglichen Godzilla-Filme gemacht hatten. Ich hatte ihnen Kontakt zu einigen der wichtigsten Leute verschafft, daher waren sie froh, sich revanchieren zu können, als ich darum bat, mich Alex Cox treffen zu lassen, der die ganze Sache moderierte. Cox liebt, wie sich herausstellte, ebenfalls schlechte japanische Monsterfilme. Während die meisten „seriösen“ Filmemacher angesichts von Filmen über radioaktive Dinosaurier, die Tokio verwüsten, die Nase rümpfen, bringt Cox ihrer Kunst eine seltene Wertschätzung entgegen.
Cox ist ein völlig anderer Künstler als Gene Simmons: Er war sich der Welt um ihn herum ganz klar bewusst. Als wir beide zwei Stunden lang zusammen in einen Van gesteckt wurden, wo wir darauf warteten, dass die BBC-Leute noch ein Interview in den Kasten kriegen würden, quatschten wir ’ne Menge. So verpeilt ich für ihn auch geklungen haben muss, hörte er mir doch mit einer Art von Intensität zu, die wahrlich inspirierend war. Es gibt ein Foto, das irgendjemand beim Reden von uns geschossen hat, und dem Gesichtsausdruck von Cox nach zu urteilen würde man glatt denken, dass ich die faszinierendsten Sachen der Welt erzählte (ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das nicht tat). Die einzigen anderen Leute, die ich getroffen habe, und die dem, was andere sagten, mit dermaßen gründlicher Konzentration zuhören konnten, waren alle Zen-Meister. Es wär’ zwar möglich, dass Cox auf diesem Feld ein wenig Übung hatte, von der ich nichts wusste, doch wahrscheinlich hatte es mehr mit der Art seines Verhältnisses zu seiner Kunst zu tun. Ein guter Filmregisseur muss genau darauf achten, wie Dinge aussehen, wie Leute reden, wie die Dinge sind, wenn er dazu fähig sein
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